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»Anzeichen sind vielfältig«

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Von: Nastasja Akchour-Becker

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Demenzberaterin Heidi Harbusch betreut und berät Betroffene und deren Angehörige. © Nastasja Akchour-Becker

Demenz kommt schleichend. Manchmal fängt es damit an, dass plötzlich die Brille im Kühlschrank liegt. Oder dass das Essen, das man nicht schafft, in der Schublade verschwindet. »Auch Orientierungslosigkeit und Unruhe zählen dazu«, zählt Heidi Harbusch mögliche Symptome auf. Seit zehn Jahren hilft sie mit der Demenzberatung in Lich Betroffenen und Angehörigen.

Häufig wird es dann schwierig. Der Angehörige muss erst lernen und akzeptieren, dass der geliebte Mensch sich verändert. Die Folge: Es gibt Streit, und der Partner ist sauer, weil sich der Partner anders verhält. »Wichtig ist es dann, erstmal zum Hausarzt und zum Neurologen zu gehen, damit man eine Diagnose und eine gute Medikamenteneinstellung bekommt«, erläutert Heidi Harbusch. »Und es ist wichtig, offen mit der Erkrankung umzugehen, damit alle Bescheid wissen.« Demenz ist noch immer ein Tabuthema, weiß die Beraterin. »Aber die Leute haben auch ein Stück weit gelernt, offener damit umzugehen.« Die Anfangsphase ist am schwierigsten, sagt Harbusch.

In der Beratung lässt sie die Angehörigen zunächst erzählen. Früher war der Vater pedantisch, heute lässt er sich hängen, hört sie dann beispielsweise. Oder: Früher war er oft beim Kegeln, heute bricht er den Kontakt zu allen ab. Oder aber er weigert sich, zum Arzt zu gehen, weil er selbst merkt, dass etwas nicht stimmt. »Die Anzeichen sind vielfältig, und die Sorgen und Ängste der Angehörigen auch«, berichtet Harbusch.

Hier setzt die Hilfe der Demenzberatung ein. Harbusch rät den Angehörigen zum Beispiel, ihr eigenes Verhalten zu ändern und entspannter zu sein. Häufig steht bei ihr das Telefon nicht still - die Nachfrage ist groß. »Die Menschen fühlen sich sehr erleichtert, dass sie in geschützter Stelle alles loswerden können.«

Eher durch Zufall ist Harbusch, die eigentlich von Beruf Pädagogin ist, dazu gekommen. Damals hatte sie Kontakt zu Bettina Rath, der Vorsitzenden der Alzheimer Gesellschaft Mittelhessen und besuchte die Helferinnenschulung. Dort hat Harbusch viel Erfahrung gesammelt. »Damals war ich fünf Jahre lang aktiv in betroffenen Familien«, berichtet sie. Stetige Weiterbildungen - etwa auch in rechtlichen Dingen, Ernährung oder beim Thema Sport - runden auch heute noch ihre Ausbildung ab.

»Wenn Menschen innerhalb der Familie merken, dass sich jemand verändert, dann ist es wichtig, sich frühzeitig Hilfe und Informationen zu holen«, macht Harbusch deutlich. Und sie sollen sich auch nicht schämen, Hilfe von außen - wie etwa aus der Nachbarschaft - anzunehmen. »Ein offener Umgang hilft.«

Die Gespräche bei ihr sind kostenlos und vertraulich. In der Regel dauern sie eine bis anderthalb Stunden. »Ich schaue, dass genug Zeit für alle Fragen vorhanden ist.« Es gibt viele Hilfsangebote. »Wir versuchen, gemeinsam Lösungswege zu finden.«

Unterstützen können eine Helferin für zu Hause, ein Pflegedienst oder Tagesstätten. In Lich gibt es etwa das Café Vergissmeinnicht, wo man den Erkrankten hinbringen kann, beim TV Lich gibt es Reha-Sport, denn Bewegung ist bei der Demenzerkrankung wichtig. »Es gibt vor Ort viele Möglichkeiten«, betont Harbusch. Und je nach Problem, kann man gucken , welche Hilfe benötigt wird. »Kann jemand etwa nicht mehr die Schuhe binden, hilft möglicherweise Ergotherapie.«

Harbusch hat Informaterial, das sie Hilfesuchenden an die Hand geben kann. Sie verfügt über eine breite Vernetzung mit Ärzten und Neurologen, der Beko, Tagesstätten, Demenzfreundliche Kommune und sie hat Kontakte zur Uni Gießen. »Ich möchte, dass die Leute mit einem guten Gefühl aus der Beratung herausgehen und wissen: Es gibt Perspektiven.« Sie sollen neue Kraft bekommen. Denn viele kommen erschöpft zu dem Gespräch, weiß Harbusch. »Das darf aber nicht passieren, denn sie sollten ja Kraft haben, um den Demenzkranken unterstützen zu können.«

Es kommen auch vermehrt Leute, die selbst gemerkt haben, dass mit ihnen etwas nicht stimmt, sagt Harbusch. Sie können nicht mit dem Partner oder den Kindern reden. »Es ist aber wichtig, dass jemand zuhört.«

Das Angebot in Lich ist einmalig in der Region. Früher waren es hauptsächlich Menschen aus Lich, die zur Demenzberatung kamen. Heute gehören auch Marburg, München und Hamburg dazu - je nachdem, wo die Angehörigen wohnen. Beratung gibt es zwar etwa auch bei der Beko in Gießen, aber dort hat man nicht so viel Zeit.

Heute gibt es viel, was es früher nicht gab: Podcast, Selbsthilfegruppen oder auch Urlaube, wo die Demenzkranken betreut werden. »Schulungen für Angehörige werden angeboten, wo man andere kennenlernt«, zählt Harbusch weiter auf. »Man muss eben einfach auch nur wissen, dass es all diese Angebote gibt.« Dafür ist die Demenzberaterin da.

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