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Angst vor vollen Sälen?

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Von: Ursula Sommerlad

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Mit Maske und auf Abstand: Kinoerlebnis in Zeiten der Pandemie. Jetzt sind die Regeln lockerer, aber die Säle noch längst nicht wieder voll. PANTHERMEDIA/ERIKA 8213 © Red

Die Pandemie ist noch nicht vorbei, aber volle Kinosäle sind jetzt wieder möglich. Theoretisch jedenfalls. De facto zeigt sich das Publikum zögerlich. In der Branche macht man sich Sorgen.

Echt? Du warst im Kino? Solche ungläubigen Fragen hat die ältere Dame häufig gehört, wenn Sie während der Pandemie von ihren jüngsten Filmerlebnissen erzählte. Trotz funktionierender Hygienekonzepte war die Skepsis wegen vermeintlicher Infektionsgefahr groß. Das haben die Kinobetreiber in den vergangenen Monaten zu spüren bekommen.

»Unser subjektiver Eindruck ist, dass wir erst die Hälfte unseres Publikums zurück gewonnen haben«, sagt Edgar Langer, der gemeinsam mit Hans Gsänger das Licher Kino Traumstern betreibt. Das wird sich seiner Einschätzung nach nicht so schnell ändern, wenn in absehbarer Zeit weitere Corona-Beschränkungen fallen sollten. »Die Leute, die kommen, kommen gerne und häufiger als früher«, berichtet er. Aber viele frühere Stammkunden bekomme man gar nicht mehr zu Gesicht.

Der für den 20. März angepeilte »Freedom Day« wurde zunächst einmal abgesagt. Auch wenn das Bundesinfektionsschutzgesetz ausläuft, hat Hessen, wie andere Länder auch, angesichts steigender Infektionszahlen die bisherigen Regelungen bis zum 2. April verlängert. So bleibt auch im Traumstern zunächst einmal alles wie gehabt. »Wie in allen Kinos gilt bei uns 3G und Maskenpflicht auch am Platz«, sagt Langer. Zugangsbeschränkungen gibt es für den Saal mit seinen zu normalen Zeiten knapp 200 Plätzen jedoch nicht mehr. »Wir könnten das Kino voll besetzen.«

Doch in diese Verlegenheit kommt das Traumstern-Team erst gar nicht. »Es war immer ganz viel Platz«, erinnert sich Langer an die zurückliegenden Monate. Selbst zu Zeiten, als der Zugang auf 50 Leute beschränkt war, habe man bei keiner einzigen Filmvorstellung Zuschauer abweisen müssen. In Lich fürchtet man, dass sich die Leute an diese exklusiven Vorstellungen gewöhnt haben und weiter vor vollen Sälen zurückschrecken. Die Besucherzahlen im Traum-stern sind im Vergleich zu normalen Jahren auf ein Drittel geschrumpft. Das reicht auf Dauer nicht zum Überleben.

Ihre Sorgen teilen die Licher mit anderen Filmtheatern. Langer berichtet von einem Branchentreffen vorletzte Woche in Frankfurt. Die positive Nachricht: Fast alle Häuser haben die Krise überstanden. »Aber die Angst ist da, dass das Publikum nicht in dem Maße zurück kommt, dass wir uns selbst finanzieren können.«

In diese Richtung äußert sich auch die Marburger Kinobetreiberin Marion Closmann. Sie ist Botschafterin des HDF, des Hauptverbands deutscher Filmtheater, und hat jüngst in einem Interview für den Radiosender hr-info weitere Überbückungshilfen gefordert. »Wir würden gerne eigenständig für uns sorgen können«, hat sie gesagt. Aber man habe keine Reserven mehr. Kino sei ein Saisongeschäft. Normalerweise futtere sich die Branche im Winter den Speck für den Sommer an, in dem die Leute lieber in den Biergarten gehen als ins Kino. »Aber das ist jetzt zweimal weggefallen.«

Auch Langer blickt mit Skepsis in die Zukunft. Er ist sich sicher: »Ohne Unterstützung wäre Ende des Jahres bei vielen Kinos Schluss. Und das gilt nicht nur für die Kleinen.«

Das Traumstern selbst sei bislang halbwegs durch die Krise gekommen. Die Überbrückungshilfe, die der Bund zahlte, habe die weggebrochenen Einnahmen zwar bei weitem nicht kompensieren können, berichten die Betreiber. »Wir haben an allen Ecken und Enden gespart.« Mit zumindest einem Erfolg. »Wir sind ohne zusätzliche Kredite durch die Krise gekommen.« An wünschenswerte Investitionen wie eine neue Bestuhlung sei aber gegenwärtig nicht zu denken.

Es gibt aber auch gute Nachrichten. Die Zeiten, in denen keine neuen Filme auf den Markt kamen, sind vorbei. Die Licher waren auf der Berlinale. Langers Fazit. »Das Angebot an Filmkunst ist großartig.«

Mit »Parallele Mütter« von Pedro Almodóvar und »Belfast« von Kenneth Branagh hat das Traumstern aktuell und bis kommenden Mittwoch zwei hoch gelobte Titel im Programm. Einen Film legt Langer dem Publikum ganz besonders ans Herz: »Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush« von Andreas Dresen, der am 30. März als Preview läuft und im April zum Bundesstart dann regulär. »Die Hauptdarstellerin ist der Hammer«.

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