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André Daum Hammelschütze 2022

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Von: Thomas Brückner

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Hammelschütze André Daum mit Hammel »Josef« und Hammelkommissar Sven Feuchert (l.). © Thomas Brueckner

»Endlich« - ein Wort, dem gestern in der Ansprache von Hauptmann Josef Neuhäuser auf Schloss Laubach große Bedeutung zukam. Freilich mischte sich in die Freude über das Ende der pandemiebedingten Zwangspause mehr als nur ein Wermutstropfen: Allein vier der 15 Vorstände der Ausschussgesellschaft verpassten wegen einer Corona-Infektion das Fest. Nicht so André Daum:

Er geht als Hammelschütze 2022 in die Annalen ein.

Seit 482 Jahren, wenn auch mit mehreren Unterbrechungen, feiern die Laubacher ihren Ausschuss. Neubürgern sei’s gesagt: Ein Fest, das uralte Traditionen weiterträgt. So ist bereits für die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts verbürgt, dass sich die wehrfähigen Männer der Residenzstadt - damals zur Landesverteidigung verpflichtet - im Armbrustschießen maßen.

Gut 60 Jahre und einige Fortschritte in der Waffentechnik später wurde die »Boxen-Schützen-Gesellschaft« aus der Taufe gehoben. Man schrieb das Jahr 1540, was die heutige Ausschussgesellschaft Solms-Laubach als ihr Gründungsjahr ansieht.

Auch in der Folge ermittelten Laubachs Männer mehrmals beim »Ausschießen« den besten aller Schützen. Der durfte sich über einen vom Grafen gestifteten Hammel freuen. Für den Zweitbesten spendierte die Gräfin die Hammelsgabe, einen Ballen Stoff.

Corona bei vier von 15 Vorständen

So war’s in alter Zeit, und so war es auch gestern wieder, als am Abend unterm Jubel des Zeltes André Daum von der 4. Sektion als Hammelschütze ausgerufen wurde. Gewinner der Hammelsgabe wurde Theo Schmidt von der 7. Sektion. Im Anschluss wurde der Erste Sieger unter den Klängen der Wengertsmusikanten zu seinem Zuhause An der Wetter begleitet. Dort musste er aus dem Fenster schauen - für André Daum nichts Neues, für den Hammel schon. Die Aufregung freilich machte »Josef«, so sein Name, nichts aus. Das wochenlange Training im »Hammelhotel« von Friedel Lotz, inklusive Gewöhnung an Marschmusik (!), hatte gewirkt.

Was sich bereits am Morgen gezeigt hatte, als »Josef« in den Schlosshof geführt wurde. Dort versammelten sich die Ausschussmänner und jede Menge meist weiblicher Zaungäste (für sie ist bekanntlich die Ausschussgesellschaft bis heute tabu).

Nach den Treffen in den Standlokalen hatten die Sektionen kurz zuvor rund um den Marktplatz Aufstellung genommen. Hauptmann Josef Neuhäuser inspizierte mit »Reserve-Adjutant« Thomas Mehlhos die von Hauptführern befehligten Abteilungen. Und erwartete ein zackiges »Guten Morgen, Herr Hauptmann!« - wohl auch der frühen Stunde geschuldet, musste Mehlhos gleich mehrfach mehr Inbrunst beim Grüßen einfordern. Übrigens: Nicht nur Thomas Mehlhos, Hauptmann anno 2017, versah gestern als »Reservist« seinen Dienst. Kurz vor Beginn des Ausschusses hatte Corona gleich sieben der 15 Vorstände der Ausschussgesellschaft aus dem Verkehr gezogen. Drei konnten sich bis Sonntag freitesten, vier aber mussten dem Fest verbleiben. Bitter vor allem für jene jungen Hauptführer, die das erste Mal dabei gewesen wären.

Um im Konjunktiv zu bleiben: Wie zwei altgediente Ausschussmänner im Gespräch mit der »Allgemeinen« verrieten, war ihre Sektion nur mit »halber Mannschaftsstärke« angetreten. Die Angst vor Ansteckung mit SARS-CoV-2 habe vermutlich viele von der Teilnahme, mithin vom Besuch des Festzeltes und des Schießstandes abgehalten.

Die Infektionen mit dem Coronavirus, ausgerechnet kurz vor dem Ausschuss, klangen auch in den Reden von Hauptmann Neuhäuser und Karl Georg Graf zu Solms-Laubach im Schlosshof durch.

Kaum nach Laubach gezogen, so der gebürtige Gladbecker Neuhäuser, habe er schnell gelernt, was alles zu den Ausschusstraditionen gehört. Nicht nur das Schießen, sondern vor allem die Gemeinschaft. Dafür sei in der letzten Vorbereitungswoche aufs Neue der Beweis erbracht worden: »Es lief nicht alles wie geplant, wir hatten mit einigen Ausfällen im Vorstand zu kämpfen.« Doch in diesen Tagen sei der Zusammenhalt innerhalb der Ausschussgesellschaft wie in Laubachs Bürgerschaft mehr als deutlich geworden.

Und so erfülle es ihn mit großem Stolz, als Hauptmann zusammen mit seinem hervorragenden Vorstand das Fest zu organisieren, betonte Neuhäuser. Der sich wie andere darauf freut, bei dem Volksfest endlich Freunde wiederzusehen, die oft nur zu diesem Anlass in ihre alte Heimatstadt zurückkehren. Zwei Jahre war das ausgefallen. »Eine bittere Zeit, das hat uns Laubachern im Herzen wehgetan. «

Am Ende dankte er allen, die ihren Beitrag zum Gelingen des Festes leisten. Insbesondere dem hiesigen Musikverein sowie den Kapellen; vorneweg die »Storndorfer«, die seit über 40 Jahren nach Laubach kommen. Die Jugend rief er dazu auf, diese schöne Tradition zu bewahren: »Tragt sie weiter in eurem Herzen!« Am Schluss seiner Rede stand der obligatorische Appell, mit einzustimmen in den frohen Ruf: »Unsere alte Vaterstadt Laubach, das gräfliche Haus und die Ausschussgesellschaft, sie leben hoch, hoch, hoch!«

Graf Solms griff in seiner Ansprache als weiteres prägendes Element des 482. Ausschusses den Krieg gegen die Ukraine auf, erwähnte nicht nur das Gedenken an die Opfer beim Eröffnungsgottesdienst: Das nächtliche Spiel des Musikvereins sei für ihn schon immer eine der Lieblingstraditionen des Festes gewesen. Im Bewusstsein des Leids der Menschen in der Ukraine aber hätten diesmal die Ständchen für Gänsehaut gesorgt. Dabei: »Musik kann so viel, ist Träger von Erinnerungen und Gefühlen. Und immer auch ein starkes Symbol für den Frieden.«

Sprach’s und fügte ob der vergleichsweise großen Zahl an Kapellen in diesem Festzug an: »Auch wenn es jetzt etwas pathetisch klingt: Möge die Welt voller Musik sein.«

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tb_edn25_140622_4c © Thomas Brueckner
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