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Lesung mit emotionalem Bruch

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Von: Volker Heller

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Autor Henrich Dörmer liest im Bürgertreff »Allendorfer Altstadt« aus seinem Regionalkrimi »Fehlbrand«. © Volker Heller

Allendorf (vh). Der in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts eröffnete Flughafen Gießen in der Wieseckaue, westlich von Rödgen, wird von einem privaten Investor zum Wohn- und Gewerbegebiet umfunktioniert. Das ehemals von der Lufthansa angeflogene Gelände hat nun auch den Einzug in die Literatur geschafft. Autor Henrich Dörmer aus Lich lässt seinen Regionalkrimi »Fehlbrand« im Gießen der Goldenen Zwanzigern spielen.

Im Bürgertreff Allendorfer Altstadt sorgte Dörmer jetzt für zwei sehr unterhaltsame Stunden. Die Damen des Heimatvereins Allendorf/Lumda servierten Kuchen zum Selbstkostenpreis.

Vereinsvorsitzende Brunhilde Trenz freute sich über zahlreiche Gäste und dass man wieder einmal eine Lesung veranstalten könne. Ein vorheriger Termin mit Dörmer habe wegen Corona abgesagt werden müssen.

Jener begann mit den Worten: »Lassen Sie uns an die Menschen in der Ukraine denken«. Während dort ein Krieg tobe und Menschen flüchteten, könne man hier in Allendorf gemütlich beisammen sein.

Feierlaune endet jäh

Ungewöhnlich war sein Einstieg. Dörmer trug nämlich das Gedicht »Der Schläfer im Tal« des französischen Lyrikers Arthur Rimbaud (1854 bis 1891) vor. Während ein Soldat an seinen Schussverletzungen einsam stirbt, schildert der Text die Schönheit der ihn umgebenden Natur.

Der emotionale Bruch folgte auf dem Fuß. Nun fand sich der Zuhörer in den 20er Jahren inmitten einer Aufbruchsstimmung wieder. Das Flughafen-Empfangsgebäude im Bauhausstil galt als das moderne Wahrzeichen der Stadt. Man schreibt den 27. September 1927. Eine Passagiermaschine der Lufthansa setzt zur ersten Landung an. Zahlreiche Menschen sind versammelt. Das bedeutsame Ereignis wird abends an einem der historischen Handlungsorte, Rappmanns Colosseum, nachgefeiert. Die vormalige Vergnügungsstätte an der Ecke Braugasse/Walltorstraße war das Gießener Zentrum für Revue und Tanzgala.

Kommissar Simon Rau wird jäh aus der Feierlaune gerissen, als man ihm eine männliche Leiche in den Licher Tonwerken meldet. Wo Am Wall einst diese Ziegelei stand, wurde unterdessen ein neuer Rewe-Getränkemarkt gebaut. Rau hat es ohnehin nicht leicht. Seine Mitarbeiterin, die Medizinal-Assistentin Therese Brunner, die er anhimmelt, ist schon vergeben. Überdies wird ein Anschlag auf ihn verübt.

Dörmer erzählt die recht komplexe Handlung äußerst flüssig, unterhält vorzüglich und immer, wenn zwischendurch oberhessischer Dialekt zu hören ist, müssen die Zuhörer ob der unfreiwilligen Situationskomik unwillkürlich lachen. Dörmers Urgroßvater war Eigentümer der Ziegelei. Eine Originalzeichnung des damaligen Ringofens hat er im Buch abgebildet, ebenso eine Zeichnung des Stadtplans der 20er Jahre. Seine Mutter, eine geborene Rau, ist gebürtig in Allendorf (im Haus an der Ecke Lindengasse/Treiser Straße).

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