Debatte über Allendorfs Zukunft: »Neue Altstadt« und Lumdatalbahn im Fokus

Wie kann der ÖPNV im Lumdatal gestärkt, wie die Allendorfer Altstadt belebt werden? Um diese Fragen und konkrete Projekte ging es am Mittwoch bei einer Podiumsdiskussion im Bürgerhaus.
Es war kein Abend bahnbrechender Neuigkeiten, dafür aber des regen Austauschs: Über Perspektiven der Altstadtentwicklung sowie eines nachhaltigen ÖPNV haben am Mittwoch Vertreter aus Politik, von Vereinen und Verbänden bei einer Podiumsdiskussion im Allendorfer Bürgerhaus debattiert. Eingeladen hatten der Verein »Hand in Hand - Neue Altstadt« sowie der Lumdatalbahn-Verein. Moderiert wurde die Diskussion im gut besuchten Saal von HR-Reporter Klaus Pradella.
Über den Stand des Projekts »Neue Altstadt« informierte Roland Meuschke als Vereinsvorsitzender. Ziel ist, ein von alter Fachwerk-Bausubstanz inklusive Scheunen geprägtes Quartier an der Treiser Straße in Allendorf zu beleben. Aus der Idee sei inzwischen »eine Initiative mit hohem Anspruch« geworden. Mit wissenschaftlicher Unterstützung haben die Aktiven ein Modellkonzept entwickelt, sind dafür mit einem Preis samt 20 000 Euro ausgezeichnet worden, die Stadt erhält im Kontext des Projekts 250 000 Euro an Landesförderung. Für »Alt und Jung, Alteingesessene und Zugezogene« soll, beginnend mit den Grundstücken dreier Familien, in Modulen neuer Wohnraum in alter Substanz geschaffen werden. Auch nachhaltige Energieversorgung und eine Tagespflege sind angedacht, zu letzterer habe es schon Gespräche mit dem »Laubacher Stift« gegeben. Eine Ausdehnung auf weitere Areale sei möglich.
Nun wolle man die Entwurfsplanung angehen. Zentral sei die Gründung einer Genossenschaft, Meuschke rief das Publikum zur Beteiligung auf. Unabhängig von ihrem Anteil könnten Mitglieder mitbestimmen, Eigentümer von Gebäuden diese einbringen.
Doch die Lage sei aktuell schwierig: Für die Anerkennung der Genossenschaft brauche es einen »Businessplan« - und letztlich eine »Anschubförderung mit sechs- bis siebenstelligem Betrag«, so Meuschke. Man hoffe auf weitere politische Unterstützung. Bei Genossenschaften gehe es darum, »einen Nutzen zu bieten«, statt Gewinne zu erzielen, betonte Daniela Watzke (Genossenschaftsverband).
Konkrete Zusagen aus der Politik blieben am Mittwoch aus. Kreisdezernent Christian Zuckermann (Grüne) sagte, er könne sich »konstruktive Verhandlungen« gut vorstellen. Landtagsabgeordnete Katrin Schleenbecker (Grüne) wollte nichts versprechen, bat sich auf dem Podium aber als »Fürsprecherin in Wiesbaden« an. Auch von hiesigen Kandidaten verschiedener Parteien für die Landtagswahl gab es viel Zuspruch - und vom DGB-Kreisvorsitzenden Klaus Zecher: Wohnraum dürfe nicht zum »Spekulationsobjekt« werden, man müsse »soziale Infrastruktur« in der Innenstadt halten, sagte er.
Zwar war die Diskussion explizit kein Wahlkampftermin, dennoch dürften einige die Positionen der beiden Bürgermeisterkandidaten mit Spannung erwartet haben: Amtsinhaber Thomas Benz (FW) versicherte, er stehe »bedingungslos hinter diesem Projekt«, gehe von einer städtischen Beteiligung an der Genossenschaft aus. Herausforderer Sebastian Schwarz (SPD) sah es als »ganz große Aufgabe« der Stadt, dem Verein beizustehen. Während er sich ein Tagespflege-Angebot in dem Quartier gut vorstellen konnte, warb Benz für seine »klaren Vorstellungen« für eine »Seniorenresidenz«.
Warme Worte von vielen Seiten, zugleich Warten auf handfeste Zusagen - so lässt sich die Gemengelage auch in Sachen Lumdatalbahn beschreiben. Seit vielen Jahren wirbt der gleichnamige Verein für die Reaktivierung, macht Druck Richtung Bund und Land, doch eine endgültige Entscheidung über die Wiederinbetriebnahme bis Londorf steht noch immer aus. Das Thema sei »fast eine neverending Story«, so Pradella am Mittwoch.
Manfred Lotz, Vorsitzender des Vereins Lumdatalbahn, berichtete von einem Gespräch mit dem Wirtschaftsministerium in Wiesbaden - er gehe nun davon aus, dass die Hessische Landesbahn (HLB) von der DB Netz AG die Trasse bis Londorf erwerben werde. Bereits in trockenen Tüchern ist die Übernahme des Abschnitts bis zur Mainzlarer »Schamott« durch die HLB, ab 2024 soll dort wieder Güterverkehr stattfinden. Mit dem Erwerb bis Londorf, so Lotz' Einschätzung, würden dann die tatsächlichen Reaktivierungskosten »auf den Tisch kommen«.
Ein energisches Reaktivierungs-Plädoyer hielt Marian Zachow (CDU), Erster Kreisbeigeordneter im Kreis Marburg-Biedenkopf. »Wir können es uns nicht länger leisten, so langsam zu sein«, sagte er, berichtete von Erfahrungen aus dem Nachbarkreis und attestierte dem Lumdatalbahn-Verein eine »besondere Hartnäckigkeit«. Zuganbindung könne den ländlichen Raum »attraktiver und spannender« machen. Auch eine ÖPNV-Ausweitung jenseits der Schiene war Thema, etwa eine Busverbindung nach Ebsdorfergrund. Im Fokus blieb aber die Lumdatalbahn, auch eine Zuganbindung bis nach Grünberg wurde von einigen gefordert.
Auch in diesem zweiten Teil kamen Schwarz und Benz zu Wort - und schienen sich im Kern einig: Die Reaktivierung sei wichtig und unterstützenswert, doch finanziell könne die klamme Stadt wenig beitragen. Auf die Frage, ob ein Bürgermeister sich nicht »an die Spitze der Bewegung« stellen müsse, reagierten beide eher ausweichend, verwiesen auf den Verein.
Schleenbecker hatte keine substanziellen Neuigkeiten im Gepäck, es gebe laufende Prüfverfahren. Minister Tarek Al-Wazir sei »in konstruktiven Gesprächen«. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Felix Döring betonte per Grußbotschaft eigene Bemühungen, erwähnte den vom Land beim Bund nach neuen Bewertungskriterien gestellten Förderantrag.
»Die Sache läuft eigentlich gut«, übte sich Stefan Klöppel (Zweckverband Oberhessische Versorgungsbetriebe) in Optimismus, aber »bestimmte Prozesse können nicht beschleunigt werden«. Von »ÖPNV-Seite«, so Klöppel weiter, seien die Voraussetzungen für eine baldige Reaktivierung erfüllt - sobald es einen Förderbescheid gebe, könne es dann »relativ schnell« gehen.
Manche Äußerungen aus dem Publikum machten deutlich, dass Befürworter der Reaktivierung - nicht nur aus Allendorf - sich mittlerweile eher auf dem Abstellgleis wähnen, des Wartens überdrüssig sind. »Wir sind belogen worden«, hieß es einmal, auch von »Verantwortungslosigkeit« war die Rede. Bis auf Weiteres heißt es trotzdem: abwarten.