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Allen Hindernissen zum Trotz

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Von: Gabriele Krämer

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Alltag an der Linda South Primary School in Sambia. Das Gebäude im Hintergrund ist ebenso wie drei weitere Häuser dank Unterstützung der Grundschulen in Steinbach und Albach, der Gießener Herderschule sowie Unterstützer aus Fernwald und Ungebung entstanden. © pv

Mehrmals täglich reisen sie in Gedanken auf den »Schwarzen Kontinent«: Dorthin, wo ihr Einsatz schon so segensreich war und wofür ihr Herz weiter unvermindert schlägt: Sambia. Sonja und Günther Kühlmann lassen sich trotz Pandemie nicht entmutigen. Die Eheleute aus Steinbach verfolgen ein ehrgeiziges Ziel.

Fast 11 700 Kilometer von Oberhessen entfernt leben ihre »zweite Familie« und all die anderen Menschen, die ihnen in den vergangen Jahren so sehr ans Herz gewachsen sind. Längst hätte es ein Wiedersehen in dem Dorf nahe der sambischen Hauptstadt Livingstone geben sollen - die Pandemie aber hat die Steinbacher merklich ausgebremst.

Dennoch engagieren sich Sonja und Günther Kühlmann unbeirrt für »ihre« Schule, die Linda South Primary School (LSPS). Nicht nur in seinem Heimatort hat das Rentnerpaar mit Erfolg die Werbetrommel für diese praktizierte Nächstenliebe gerührt. Die Grundschulen in Steinbach und Annerod, die Herderschule in Gießen sowie zahlreiche private und öffentliche Unterstützer aus Fernwald und anderen Kommunen haben ihr Scherflein beigetragen bzw. sind mit regelmäßigen Geldspenden dabei. »Was gibt’s Neues in Sambia?« ist wohl die am häufigsten gestellte Frage, wenn die Kühlmanns daheim in Fernwald unterwegs sind.

Was 2010 aus einer Zufallsbegegnung während einer Urlaubsreise entstand, ist eine Erfolgsgeschichte besonderer Art. Damals hatten die Kühlmanns ersten Kontakt zu einem Lehrer, der in einer strohbedeckten Hütte etwa 40 Kinder unterrichtete.

Genau jene Situation in dieser Hütte war - wie mehrfach berichtet - die Initialzündung für eine Privatinitiative, die mittlerweile den Unterricht für 930 Kinder in 24 Klassen von der Vorschule bis zum Jahrgang 9 in vier soliden Gebäuden ermöglicht.

Die stetig wachsende Grundschule trug dazu bei, dass in der Umgebung vier Siedlungen mit mehr als 400 Häusern entstanden sind. Die Schülerzahlen explodierten förmlich - - weshalb nun vier Kilometer von der LSPS entfernt eine Dependance entstanden ist: Die Linda South Upper Primary School mit zwei 8./9. Klassen.

2018 waren die beiden Steinbacher letztmals vor Ort - abermals zu einem arbeitsintensiven Urlaub, wie immer auf eigene Kosten. »Spenden werden dafür nicht angetastet, das bezahlen wir alles aus eigener Tasche«, unterstreichen die Eheleute mehrfach. 2020 hätte es eine kleine Feier zum »Zehnjährigen« geben sollen. Dafür waren sogar schon T-Shirts bedruckt worden. Doch Corona machte ihnen einen Strich durch die Rechnung, denn Reisen ins südliche Afrika, speziell nach Sambia, waren plötzlich so gut wie unmöglich. Da die südafrikanische Fluggesellschaft SAA mittlerweile ihren Betrieb eingestellt hat, ist auch ein Direktflug von Frankfurt nach Livingstone passé. Auch aus Sorge um die angeschlagene eigene Gesundheit nehmen Sonja (69) und Günther Kühlmann (72) von einem solchen Vorhaben Abstand. Vorerst.

Kontakt mit den Freunden in Sambia, etwa mit der Familie Musonda, deren vier schulpflichtige Kinder alle Schulpaten haben, halten die Eheleute über Whatsapp. Das ist wieder möglich, nachdem ausgerechnet über diese einzig noch verbliebene Schiene von August bis Dezember 2021 Funkstille herrschte: Dies aber war allein dem Umstand geschuldet, dass es den Partnern in dem bitterarmen Land schlicht nicht möglich war, den Strom fürs Aufladen des Mobiltelefons zu bezahlen. Sambia gilt als bankrott, die Währung hat seit 2020 gegenüber dem Dollar fast 40 Prozent verloren - monatelang warteten die Lehrer der LSPS auf ihre Gehälter. Was von der Ankündigung der seit Mitte August tätigen neuen Regierung zu halten ist, man werde 30 000 Lehrkräfte einstellen, ist nicht klar. Die zugesagte Förderung für die LSPS jedenfalls beläuft sich auf umgerechnet einen Euro pro Schüler und Trimester.

Inzwischen wandern wieder Nachrichten mehrmals in der Woche von der LSPS nach Steinbach und umgekehrt. »Wir nehmen jeden Euro. Mit einem Euro kann man in Sambia so viel bewirken«, berichtet Sonja Kühlmann, die auch Vorstandsvorsitzende der Evangelischen Kirchengemeinde Steinbach ist, aus Erfahrung. Sie hofft auf weitere Unterstützung aus der hiesigen Bevölkerung. Mit dem Geld, das die Kühlmanns in Deutschland etwa durch den Verkauf von mitgebrachtem Kunsthandwerk aus Sambia oder in Form von Spenden gesammelt haben, wurden die neuen Schulgebäude mitsamt Einrichtung und Lehrmittel finanziert. 2018 etwa haben sie vor Ort allein für 1500 Euro Schulbücher kaufen können - »die Leute in dem Laden dort haben vor Freude getanzt«, erinnert sich das Paar noch gut.

Allein im »Corona-Jahr 2021« kamen immerhin 6000 Euro an Spenden zusammen: »Ein großes Dankeschön von uns«, lassen die beiden ausrichten. In der Tat eine bemerkenswerte Summe, fehlte es doch an Plattformen, um auf das »Projekt Sambia« aufmerksam zu machen. Kühlmanns sammeln weiter: Für zwei Schulgebäude, Lehr- und Lernmittel, Mobiliar. Wenn es die Gesundheit erlaubt, dann wollen sie sich wieder auf den Weg machen: »Vielleicht klappt’s 2023«.

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ik_Kuehl1_260122_4c_2 © Gabi Kraemer
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