»Alle Anstrengungen werden konterkariert«
Gießen (pm). Der Naturschutzbeirat des Landkreises Gießen hat sich mit dem Entwurf des Regionalen Raumordnungsplans befasst. Sein Fazit: Die Planung hat »gravierend negative Konsequenzen«.
Der Regionlplanentwurf lege fast die gleiche Fläche an »Vorrangflächen für Industrie- und Gewerbe« fest wie der Vorgänger. Das sei keine zukunftweisende Planung, heißt es in einer Pressemitteilung. Diese Planung lese sich, als ob es keine Klimakatastrophe gäbe, keine Überschwemmungen, keine Probleme mit zunehmender Versiegelung. Sich daran zu orientieren, dass bis 2030 maximal 2,5 Hektar pro Tag in Hessen versiegelt werden dürfen, »erscheint als antiquierte Denkweise aus dem letzten Jahrhundert«.
Maßnahmen zur Entsiegelung nicht mehr benötigter Flächen finden sich nicht. Es bleibe unbetrachtet, inwieweit die vorliegenden Planungen insgesamt für den Artenschutz Auswirkungen haben, nicht zuletzt durch die zunehmende Fragmentierung der Landschaft. »Alle derzeitigen Anstrengungen in der heimischen Region zur Reduktion der Klimabelastung werden durch diesen Plan konterkariert«, so der Beirat.
Die Kardinalfehler im gemeindlichen Finanzdenken seien: Viel Gewerbeflächenausweitung bringt viel Gewerbesteuer. Stattdessen sollte die Relation Flächenverbrauch zu Steuereinnahmen als regionale Wertschöpfung verglichen werden. Neue Baugebiete bringen mehr Einnahmen. Das sei aber kein Automatismus, sie bedeuten auch höhere Sozialausgaben, mehr Verkehr und Flächenverbrauch mit allen Folgeschäden.
Prognostisch wird im Landkreis eine Abnahme der Bevölkerung gesehen, nur für die Stadt Gießen eine weitere Erhöhung der Einwohnerzahl. Dieses entspreche der landesweiten Prognose, dass nur die größeren Städte wachsen. Außerdem werden kleinere Haushalte mit weniger Personen prognostiziert. Deshalb sollten, so der Beirat, statt alleinstehender Eigenheime auf der grünen Wiese künftig mehr kleinere Einheiten wie Doppelhaushälften oder Reihenhäuser geplant werden. Die Nutzung bestehender Altbauten müsse forciert und Innenentwicklung gefördert werden, auch durch Abbruch und Neubebauung. Zudem erfolgen große Teile der Siedlungs- und Gewerbeplanung auf ertragreichen Ackerböden, die als Produktionsflächen für Lebensmittel den gleichen Stellenwert haben sollten wie Wohnbedarf. Durch die großflächige Überplanung von Ackerfläche werde in Kauf genommen, dass landwirtschaftliche Betriebe aufgrund von Flächenmangel in ihrer Existenz bedroht sind.