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Akute »Wohnungsnot«

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Von: red Redaktion

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Gießen (pm). Mit dem Aufbruch in die Winterquartiere in Afrika geben Schwalben dieser Tage den Startschuss für den Herbst. »Vielen Menschen, die den ganzen Sommer lang Schwalben unter ihrem Dach beherbergt haben, fällt der Abschied von den fröhlichen Sommerboten schwer«, erklärt NABU-Landesvorsitzender Gerhard Eppler.

Mehl- und Rauchschwalben gehören zu den beliebtesten heimischen Singvögeln. Doch ihre Bestände gehen immer weiter zurück. Neben dem Nahrungsmangel durch das Insektensterben gibt es noch einen weiteren wichtigen Grund dafür: die akute »Wohnungsnot«.

Beim Fortzug in den Süden merken sich die Schwalben den Standort ihrer Nester, um sie im nächsten Frühling wieder beziehen zu können. »Für Schwalben ist es einfacher, ein altes Nest zu reparieren, als aus 700 bis 1.500 Lehmkügelchen mühsam ein neues Nest zu mauern«, erklärt NABU-Experte Maik Sommerhage.

Die Fähigkeit, sich einen guten Nistplatz zu merken und im nächsten Jahr dorthin zurückzukehren, ist in der heutigen Zeit eine wichtige Überlebens-Strategie für Mehl- und Rauchschwalben. Denn es gibt immer weniger geeignete Brutplätze an oder in Wohngebäuden, Reithallen und Stallungen.

Aufgrund der zunehmenden Flächenversiegelung ist auch lehmiges Baumaterial für das Nest immer schwerer zu finden. Deshalb zeichnet der NABU Vogelfreunde, die sich um den Schutz von Schwalben und deren Nestern an ihren Gebäuden kümmern, mit der Plakette »Schwalbenfreundliches Haus« aus. »Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, dass sie Schwalben durch Renovierungs- und Umbauarbeiten oder die bloße Gebäudereinigung vor ein echtes Problem stellen«, erklärt NABU-Ornithologe Bernd Petri.

Schwalbennester gesetzlich geschützt

Immer wieder fallen Schwalbennester dem Ordnungswahn zum Opfer und werden im Herbst abgeschlagen. »Als Hauseigentümer darf man die verlassenen Schwalbennester nicht einfach entfernen«, sagt Petri. Schwalbennester sind durch das Bundesnaturschutzgesetz besonders beschützt. Wer sie zerstört, kann mit einer Geldbuße von bis zu 50 000 Euro bestraft werden. Schwalbennester sind deshalb von Mietern und Hauseigentümern zu dulden. Wenn im Zuge von Baumaßnahmen Nester entfernt werden müssen, hat der Hausbesitzer für einen Ersatz durch künstliche Nisthilfen zu sorgen. Zum Schutz von Schwalben und ihren Nestern empfiehlt der NABU zudem, Dächer und Dachrinnen nur außerhalb der Brut- und Aufzuchtzeiten zu erneuern. Die naturfreundlichste Zeit für Sanierungsarbeiten liegt zwischen Oktober und Februar.

Konflikte mit Schwalbennestern gibt es mitunter auch wegen des Kots, der die Hausfassade oder Gehwege verschmutzen kann. Mit einem mindestens 70 Zentimeter unterhalb der Nester angebrachten Kotbrett kann das Problem aber dauerhaft gelöst werden.

Da es in der ausgeräumten Landschaft immer weniger Lehmpfützen gibt und den Mehlschwalben deshalb oft das Material zum Nestbau fehlt, empfiehlt der NABU, die Vögel generell mit Nisthilfen zu unterstützen oder »Lehmtankstellen« im Garten anzubieten. Ein Schwalbenkasten an der Hauswand oder ein Schwalbenhotel im Garten sind eine willkommene Hilfe. Künstliche Nisthilfen für das nächste Jahr können bereits im Herbst montiert werden.

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