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»AfD will Gegner einschüchtern«

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Von: Stefan Schaal

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Tim van Slobbe, der Vorsitzende des Kreisausländerbeirats, hat Aktionen der AfD als "rechtsextremistisch" bezeichnet. Kurz darauf hatte er zwei Gerichtsprozesse an der Backe.

Tim van Slobbes Augen wirken müde. Zum Feiern oder zum Triumphieren ist ihm nicht zumute, obwohl er in den vergangenen Tagen gleich zwei Gerichtsverfahren gewonnen hat – gegen den Kreisverband sowie die Kreistagsfraktion der AfD in einem Fall und gegen ein einzelnes Mitglied der AfD-Kreistagsfraktion. »Die Prozesse haben viel Energie und Zeit gekostet«, erklärt der Vorsitzende des Kreisausländerbeirats. Dann hält er fest: »Ich will mich mit der AfD politisch auseinandersetzen. Und nicht gerichtlich.«

Ich will mich mit der AfD politisch auseinandersetzen – nicht gerichtlich

Tim van Slobbe

Der AfD-Kreisverband hat erfolglos versucht, eine einstweilige Verfügung gegen van Slobbe und ein Ordnungsgeld in Höhe von 250 000 Euro zu erwirken. Anlass war eine Rede des 53-Jährigen im August im Gießener Rathaus. Darin setzte sich van Slobbe mit der Facebook-Seite des AfD-Kreisverbands auseinander. Er bezeichnete sie als eine »Parallelwelt, in der Angst geschürt wird«. Fortlaufend seien dort in Kommentaren Volksverhetzung sowie »rassistische Hetze« zu lesen. Derartige Beiträge würden von den Mitgliedern des AfD-Kreisverbands nur selten gelöscht. »Meinem Eindruck nach finden sie es gut oder nehmen es zumindest hin, wenn andere Menschen bedroht und angefeindet werden.« Die Rede ist auf Youtube unter dem Titel »Demaskierung der Gießener AfD« zu finden.

AfD-Abgeordnete, erklärte van Slobbe in seinem Vortrag, beteiligten sich kaum an Diskussionen im Kreistag. Das Ziel der AfD, den Kreisausländerbeirat abzuschaffen, bewerte er zudem als »ersten Schritt, die Demokratie auf Kreisebene einzuschränken« – und als »rechtsextremistisch«. AfD scheitert vor Gericht Dagegen wehrt sich die AfD. Vor einer Zivilkammer des Gießener Landgerichts scheiterten der Kreisverband und die Kreistagsfraktion nun aber mit dem Antrag einer einstweiligen Verfügung. Van Slobbe habe lediglich seine Meinung geäußert, hält die Kammer fest. Noch deutlicher wird die Zivilkammer in einem zweiten Prozess. Dieses Verfahren hat Nikolaus Pethö, Kreistagsabgeordneter der AfD, angestrengt. Die Kammer hält fest: »Wer in Fragen der politischen Haltung gezielt Einfluss nehmen will, muss das Risiko öffentlicher, auch scharfer, abwertender Kritik auf sich nehmen und Polemik gegen seine Person hinnehmen.« Das Gericht erinnert daran, dass die AfD öffentlich die Abschaffung des Kreisausländerbeirats gefordert, im Internet das Gremium als Kasperletheater dargestellt hatte. »Wer im politischen Diskurs derart vorgeht, muss sich seinerseits auch überzeichneter Kritik der Gegenseite stellen." Prozesse noch nicht ausgestanden Pethö wirft van Slobbe vor, einen Vorfall im Rahmen einer Sitzung des Ausländerbeirats falsch und den AfD-Politiker als Lügner dargestellt zu haben. Hintergrund: Vor einem Jahr hatte der Ausländerbeirat die Öffentlichkeit – und damit auch Pethö – für einen Tagesordnungspunkt ausgeschlossen. Van Slobbe glaubt unterdessen, dass der Kreisverband der AfD vor allem aus einem Grund gerichtlich gegen ihn vorgegangen ist: als Mittel der Einschüchterung. »Nicht allein gegen mich. Sondern gegen jeden, der sich zur AfD äußern will. Wer traut sich denn angesichts solcher Verfahren, noch etwas gegen die AfD zu sagen?« Der Vorsitzende des Kreisausländerbeirats beobachtet einen Rechtsruck in der Gesellschaft. In den 90ern hätten sich die Kreistagsfraktionen geschlossen gegen die Republikaner gestellt. Heute aber werde die AfD von manchen Kreispolitikern »rechts liegen gelassen« Herabsetzungen des Kreisausländerbeirats im Internet würden geduldet. Ausgestanden sind die Prozesse gegen die AfD indes noch nicht. AfD-Kreischef Uwe Schulz erklärt, in mindestens einem der Verfahren lege man Widerspruch ein.

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