Ärgernis im Untergrund

Hohe Kosten für die Kommunen, Ärger für die Anwohner, die von der Versorgung mit dem Lebensmittel Nr. 1 abgeschnitten sind: Wasserrohrbrüche sind ein viel beklagtes Übel. Die Zahl der Leckagen schwankt von Jahr zu Jahr. Woran liegt das? Und dürfen Bauhofmitarbeiter dank neuer Rohrsysteme auf weniger (Nacht-)Einsätze hoffen? Nachgefragt bei Praktikern.
Vollsperrung« in Geilshausen, Klagen über »Wasserrohrbrüche fast vor jedem Haus in Langgöns« oder »Stundenlang saßen Gießener zwischen Riegelpfad und Liebigstraße auf dem Trockenen« - wer den Begriff »Wasserrohrbruch« ins Zeitungsarchiv eingibt, wird rasch fündig.
Wie kaum ein Zweiter im Kreis mit dem Problem vertraut ist der Zweckverband Lollar Staufenberg (ZLS), sozusagen »Herr über 132 Kilometer Wasserleitungen«. Auch der ZLS hatte in den vergangenen Jahren mit der Häufung von Rohrbrüchen zu tun. Einen starken Ausschlag gab es zuletzt 2021. Verbandsgeschäftsführer Jochen Becker im GAZ-Gespräch: »Wenn ich wüsste, woran das lag, ich würde sofort Lotto spielen.«
Eine geringe Gewinnquote gäbe es, würde man auf die Ursachen in Jahren wie 2018 wetten. Der Peak nach oben lag damals am sehr trockenen Sommer, erklärt Becker. Damals habe es Bodenaustrocknungen bis zu einer Tiefe gegeben, in der die Wasserleitungen liegen, in der Regel sind das 1,25 Meter.
Absenkungen waren die Folge - und gehäufte Leckagen. Vor allem die oft Jahrzehnte alten, starren Graugussrohre brachen. Die auch dem Klimawandel geschuldete Austrocknung des Bodens ist nicht nur ein Grund für die Rohrbrüche. Sie verteuert auch die Reparaturen. ZLS-Wassermeister Marco Kirchner: »Je trockener desto mehr Maschinerie bedarf es. Oft müssen wir uns mit der Arbeitsmaschine mühsam zur Leckage vortasten.«
Und grundsätzlich fügt er an: »Für Otto-Normal-Bürger ist es oft gar nicht ersichtlich, welch hohe Werte sich unter der Erde verbergen.«
Was den ZLS angeht, so besteht inzwischen das Hauptrohrsystem aus sehr belastungsfähigem Material: duktiler, also verformbarer Guss. Einige Kommunen verwenden dagegen Polyethylen (PE). Kirchner: »Oft eine Philosophiefrage, wir haben mit duktilem Guss keine Probleme.«
Freilich bekommt auch er es noch mit einem »Vorgängermodell« zu tun. 32 der 132 Kilometer an öffentlichem Trinkwassernetz des Verbandes bestehen noch aus Grauguss. Ein Eisenwerkstoff, der erstmals um 1900 und bis in die Sechziger genutzt wurde. Doch hält er den gestiegenen Belastungen oft nicht mehr nicht stand (siehe Kasten).
Anders der duktile Guss der neuen Generation: Ein korrosionsbeständigeres Material, das sehr starker Beanspruchung, etwa durch Erdbewegungen, widersteht. Gut für hohe Lebensdauer auch: die Innenauskleidung mit Zementmörtel, was Anhaftungen vorbeugt. Überdies ist eine Zinkhaut ins Rohrmaterial eingearbeitet, die das Eindringen etwa von Düngemitteln oder Betriebsstoffen verhindert.
Ein mitentscheidender Faktor fürs »Mindesthaltbarkeitsdatum« ist also der Untergrund. Der ZLS, so Geschäftsführer Becker, gebe daher bei allen Neubaumaßnahmen ein Bodengutachten in Auftrag.
Auch hier das Ziel: Leckagen minimieren. Kommt es aber doch dazu, so sind es häufig Rundrisse; also Brüche, als ob man mit der Flex durchgegangen wäre. Bei alten Gussrohren tritt der meist durch Korrosion verursachten »Lochfraß« auf. Wie das aussieht? »Wie ein Beschussversuch«, sagt Experte Kirchner. In diesem Fall greift der ZLS zuweilen aufs Inliner-Verfahren zurück, wird etwa ein PE-Schlauch ins poröse Rohr eingeführt wird.
Rohrbrüche, darauf macht der Wassermeister aufmerksam, seien selten mit spektakulären Überschwemmungen verbunden. »Meist fallen sie erst gar nicht ins Auge«. Dem Prozessleitsystem des ZLS aber schon, erfasst es doch tagesaktuell die Verbräuche einzelner Abschnitte.
Prozessleitsystem erkennt Leckagen
Wird ein Maximalverbrauch überschritten, könne man schnell auf Lecksuche gehen. Nicht zuletzt werden damit Gebäudeschäden, etwa aufgrund von Ausschwemmungen des Erdreichs, vermieden.
Dass der Verband freilich viel in die Anlagentechnik investiere, dazu mit der Entsäuerung des geförderten Grundwassers die Leitungen zusätzlich schütze, betont der Geschäftsführer: »In den letzten 20 Jahren waren das 17,5 Millionen Euro.« 2022 würden wieder 2,5 Millionen allein in den Bereich Wasser gesteckt, insbesondere im Bereich einer sanierungsbedürftigen Transportleitung. ZLS-Chef: »Je weniger Verluste durch Rohrbrüche haben, desto geringer ist der Aufwand bei der Wassergewinnung.«
Apropos Aufwand: Becker und sein Vertreter Jan Philip Körber verweisen am Ende noch auf die »Mehrspartenstrategie« ihres Verbandes: Heißt: Verschiedene Leitungen werden in einem Zug verlegt, die Straße nur einmal aufgerissen. Was Kosten senkt - und Anliegern Ärger erspart.
