Ärger ohne Folgen?

Gülle, die Wege ruiniert und ein Zaun, der auf öffentlichen Grund ragt: Der Pohlheimer Thomas Krüger ärgert sich über Grenzüberschreitungen seines Nachbarn und wendet sich daher seit drei Jahren immer wieder an das Ordnungsamt der Stadt Pohlheim. Dieses sei weitgehend untätig, beklagt Krüger - bis vor wenigen Tagen.
Thomas Krüger hebt die Schultern, er atmet tief ein. Der 65 Jahre alte Pohlheimer sitzt in seinem Wohnzimmer am westlichen Rand Holzheims, trinkt einen Schluck aus einer Tasse Kaffee, dann sagt er: »Mein Name ist verbrannt.«
Dutzende Male habe er sich bei der Stadt Pohlheim schon beschwert, erzählt Krüger, seitdem er sich einen inzwischen mehr als drei Jahre währenden Nachbarschaftsstreit liefert. Passiert sei im Grunde nichts. »Mittlerweile bekomme ich nur noch die Antwort, dass ich der einzige sei, der sich beschwert.« Die Auseinandersetzungen mit dem Nachbarn halte er aus, sagt er. »Mir geht es darum, dass das Ordnungsamt nichts unternimmt.«
Krüger berichtet von Streitigkeiten, die zum großen Teil auf dem Land nicht ungewöhnlich sind. Er erzählt von lauten landwirtschaftlichen Arbeiten auf dem Nachbargrundstück an Feiertagen und in der Nacht. »Zum Beispiel wurde der Stall bis morgens um vier Uhr ausgemistet.« Eine über Strohballen gelegte Plane, erzählt Krüger, sei vom Wind zerfetzt worden und auf Wiesen und Äcker nebenan gelandet. Schließlich zeigt er auf einen Zaun des Nachbarn, der seiner Ansicht nach zu weit in einen öffentlichen Fußgängerweg hineinragt.
Krüger nimmt noch einen Schluck Kaffee. Dann schildert er Erlebnisse, die seinen Ärger verständlicher machen. Er erzählt von Gülle, die sich an regnerischen Tagen vom Nachbargrundstück in Massen ausgebreitet habe, auf die Straße geflossen sei und Wege runiert habe, der Schmutz sei danach nicht gesäubert worden. »Unsere Fenster waren wochenlang schwarz vom Fliegendreck«, erzählt Krüger. Mitarbeiter des Ordnungsamts hätten sich die beeinträchtigten Wege angeschaut. »Passiert ist danach aber nichts.«
Krüger hat 29 Jahre im öffentlichen Dienst gearbeitet, als Programmierer im Wertpapierbereich für die Bundesbank. »Wäre ich so untätig gewesen wie die Mitarbeiter im Pohlheimer Ordnungsamt, wären mir die Ohren abgerissen worden. Ihre Aufgabe ist Dienstleistung am Bürger. Sonst nichts.«
Er habe auch den Mängelmelder der Stadt genutzt, erzählt Krüger. »Ohne Reaktion. Mein Eintrag ist verschwunden.« Er habe sich außerdem beim Landkreis über das Pohlheimer Ordnungsamt beschwert. »Die Antwort war, dass dort alles in Ordnung abgelaufen sei.« Rechtliche Schritte will Krüger nicht einleiten. »Es geht ja gar nicht um meine persönlichen Rechte«, sagt er. Öffentliche Wege seien betroffen. »Es geht um allgemeines Recht.«
Pohlheims Bürgermeister Andreas Ruck versichert auf Nachfrage, dass die Stadt und das Ordnungsamt durchaus handeln. »Wir tun alles, was in unserer Macht steht.« Doch seien in mehreren Fragen dieses Nachbarschaftsstreits der Landkreis und das Regierungspräsidium zuständig. Es handle sich um ein weiterhin schwebendes Verfahren.
Die Auseinandersetzung macht derweil auch aufmerksam auf die Frage, welche Möglichkeiten Menschen haben, sich bei ihrer Kommune zu beschweren, ohne dabei als Querulant in Verruf zu kommen.
Mängelmelder haben sich in diesem Zusammenhang kreisweit als Erfolgsmodell erwiesen. In Pohlheim übt indes auch der langjährige frühere SPD-Stadtverordnete Horst Biadala Kritik. Es brauche mehr als nur eine digitale Eingangsbestätigung, sagt er. »Innerhalb von zwei Wochen sollte ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung Bescheid geben, ob und in welcher Form man sich um das Anliegen kümmert.« Und auch wenn sich die Stadt nicht kümmert, wenn sich der Melder beispielsweise geirrt hat, sollte es eine ausführlichere Rückmeldung geben, schlägt er vor.
Der Mängelmelder funtionire einwandfrei, betont derweil Bürgermeister Ruck. Er nutze ihn selbst regelmäßig, wenn er Müllablagerungen entdecke. »Einträge verschwinden, weil sie dann eben abgearbeitet sind.«
Krüger hat sich unterdessen ein zweites Mal bei dieser Zeitung gemeldet. »Es geschehen noch Zeichen und Wunder«, erzählt er. Zumindest seine letzte Eintragung im Mängelmelder der Stadt Pohlheim sei innerhalb von 48 Stunden auf »in Bearbeitung« gesetzt worden. »Ich habe sogar eine Mail dazu bekommen«, ergänzt der Holzheimer. Wegen der Frage, ob der Zaun des Nachbarn zu weit auf öffentlichen Grund ragt, seien der Leiter des Ordnungsamts und eine Mitarbeiterin vor Ort gewesen. »Und man hat mir eine qualifizierte Antwort auf meine Mail geschickt.« Krüger fügt hinzu: »Vielleicht hat meine Beschwerde bei der Landrätin doch etwas bewirkt.«