1500 Minijobs weniger
Gießen (pm). In der Pandemie ist die Zahl der Minijobs im Kreis Gießen deutlich zurückgegangen. Mitte vergangenen Jahres gab es im Landkreis rund 28 300 Stellen auf 450-Euro-Basis - das sind 1 500 weniger als zwei Jahre zuvor. Dies entspricht einem Minus von fünf Prozent. Besonders betroffen ist das Gastgewerbe: Hier gingen im selben Zeitraum 380 Minijobs verloren - ein Einbruch von zwölf Prozent.
Diese Zahlen teilte die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) mit. Sie beruft sich dabei auf die Bundesagentur für Arbeit.
»450-Euro-Kräfte zählen zu den Hauptverlierern der Pandemie. Von der Küchenhilfe im Restaurant bis zur Verkäuferin an der Bäckereitheke - viele Minijobber leben in ständiger Angst, gekündigt zu werden. Dabei haben sie weder Anspruch auf das Arbeitslosen- noch auf das Kurzarbeitergeld«, kritisiert Andreas Kampmann, Geschäftsführer der NGG-Region Nord-Mittelhessen. Kampmann warnt davor, dass künftig noch mehr Menschen in solche unsicheren Jobs abrutschen könnten und damit zu prekären Bedingungen arbeiten müssten. »Wenn die Bundesregierung die Verdienstgrenze bei den Minijobs anhebt, dann dürfte das viele reguläre Arbeitsplätze verdrängen. Für die Betroffenen, zu einem Großteil Frauen, wird das zur Karrierefalle. Und spätestens im Alter ist Armut vorprogrammiert.«
Kritik an Plänen der Ampel-Koalition
Nach den Plänen der Berliner Ampel-Koalition sollen Minijobber künftig 520 statt wie bislang 450 Euro im Monat verdienen können - ohne dafür etwa automatisch arbeitslosenversichert zu sein. Den entsprechenden Gesetzentwurf kritisiert die Gewerkschaft scharf: »Die Politik baut prekäre und krisenanfällige Stellen weiter aus, statt sie einzudämmen. Das ist ein Irrweg - gerade nach den Erfahrungen mit Corona.«
Die NGG verweist auf den Koalitionsvertrag. Darin schreiben SPD, Grüne und FDP, es müsse verhindert werden, »dass Minijobs als Ersatz für reguläre Arbeitsverhältnisse missbraucht oder zur Teilzeitfalle werden«. Die Gewerkschaft hat deshalb die heimischen Bundestagsabgeordneten der Ampel-Koalition dazu aufgerufen, sich an dieses Versprechen zu halten.
Abhilfe könne langfristig nur eine grundlegende Reform schaffen. Laut NGG müsse bereits ab dem ersten Euro die Sozialversicherungspflicht gelten. Erst wenn Sozialabgaben, Kranken-, Pflege- und Rentenversicherungsbeiträge gezahlt würden, könnten Beschäftigte wirksam geschützt werden.
Nach Einschätzung von Gewerkschafter Kampmann würde die Abschaffung der Sonderregelungen für Minijobs helfen, den Fachkräftemangel zu bekämpfen. »Im Kreis Gießen klagen vor allem Hoteliers und Wirte, kein Personal mehr zu finden. Aber Fachleute gewinnt man nicht, indem man kaum abgesicherte Stellen mit wenigen Wochenstunden bietet.«