"Homöopathie", Arte: Placebo-Film

Arte zeigt einen Film über Homöopathie als gesundheitspolitisches und weltanschauliches Problem.
Ja, ist ja gut. „Pharmakologisch unwirksam“, das haben wir nun oft genug gehört. Auch die immer wiederkehrende Feststellung, dass homöopathische Medikamente nach den Kriterien der modernen Medizin keinerlei Wirkstoff enthalten und dass darum von ihnen auch keine Wirkung zu erwarten sei. Andererseits ist genauso bekannt, dass die konventionelle Medizin immer wieder an ihre Grenzen stößt – aus welchen Gründen auch immer – und dass die Epoche wirksamer Antibiotika aufgrund von Leichtsinn in Tierhaltung und Medizin sich dem Ende zuneigt. Vielleicht wäre es an der Zeit, den Konventionen der modernen Medizin gegenüber ein wenig skeptischer zu sein. Was Karlo Malmedies Dokumentation nicht wirklich ist.
Seriös wirkender Homöopathen und naive Gläubige
Zu Wort kommen eine Reihe überzeugter und seriös wirkender Homöopathen, ebenso ein paar eher naiv oder eifernd wirkende Gläubige, auf der anderen Seite stehen die Skeptiker, die sich auf wissenschaftliche Studien berufen und (zu Recht) vor den Gläubigen warnen. Keine Frage, wer hier letztlich die Punkte macht. Gönnerhaft wird die Wirkung einer homoöpathischen Medizin auf den beliebten Placebo-Effekt geschoben, mit anderen Worten: Das alles funktioniere nur, wenn und weil daran geglaubt wird und der Körper unter diesem Einfluss Selbstheilungskräfte in Gang setzt.
Wenn das aber alles wäre, bliebe immer noch die Frage offen, warum die herkömmliche Medizin sich diesen Effekt nicht zunutze machen kann oder will? Kostet eine Diagnose auf der Basis einer sorgfältigen Anamnese vielleicht einfach zu viel Zeit?
Homöopathie: Es geht um Weltbilder
Dass auch Fälle bekannt sind, in denen homoöpathische Medizin Kindern hilft, denen man Gläubigkeit noch nicht einreden konnte; dass sie Tieren hilft, denen Glaubensfragen eher fremd sind, ist mit dem Placebo-Effekt nur schwer zu erklären. Da wirkt die trotzig vorgetragene Nullachtfuffzehn-Argumentation ziemlich hilflos; dass der Film immer wieder auf den mystifizierenden Herstellungsmethoden und Potenzierungs-Ritualen der Homoöpathen herumreitet, hilft auch nicht weiter. Die Beweiskraft von Studien heranzuziehen, ist nicht ganz unproblematisch, wenn zuvor die Beweiskraft von anderen Studien in Zweifel gezogen werden muss; am besten sollte man nur den Studien Glauben schenken, die man selbst gefälscht hat.
In Wahrheit geht es, wie der Subtext des Filmes zeigt, um Weltbilder: Dass Homöopathie wirken könnte, widerspricht einfach dem Weltbild der so genannten Schulmedizin. Das ist alles. Dass ein Weltbild den Horizont definiert und jenseits dieses Horizonts alles für unmöglich hält, ist aber eine Bornierung mit Verfallsdatum. Isaac Newton, Begründer der klassischen Mechanik, hätte bei der Lektüre von Einsteins Relativitätstheorie nur unwillig den Kopf geschüttelt. Kann es nicht sein, dass einer pharmakologischen Forschung, die sich mit Molekülen befasst, irgend etwas im sub-molekularen Bereich entgeht? Dass es Prozesse gibt, die noch gar nicht im Horizont der Forschung aufgetaucht sind?
Homöopathie: Müller-Wohlfahrt spricht von Evidenz
Immerhin ist da noch Mull, mit Klarnamen: Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, berühmtester Sportmediziner der Republik, der freimütig zugibt, auch Homoöpathie anzuwenden und damit Erfolge zu erzielen. Erklären kann er das nicht, aber er spricht von Evidenz. Vielleicht sollte man den Begriff der Heilung, wie die Schulmedizin ihn versteht, auf den Prüfstand stellen. Und nicht nur hämisch zusehen, wie kleine Fläschchen auf dicke Bücher gehauen werden.
Von Hans-Jürgen Linke
Zur Sendung
„Homöopathie", Arte, Samstag, 15.2., 21.50 Uhr. Im Netz: Arte+7