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Zurück zur Geburtshilfe

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Hebammen bei der Arbeit: In der Mitte Ulrike Schnitzler, leitende Hebamme im Frankfurter Bürgerhospital. © Red

Frankfurt - Das Begleiten einer Geburt zählt zu den Höhepunkten der Tätigkeiten einer Hebamme. Doch wenn sie selbst Mutter werden, verzichten sie oft auf diesen »besonderen Moment«, wie ihn Friederike Kim nennt; weil sich die Arbeit im Kreißsaal schwer vereinbaren lässt mit dem Familienleben. Diese Kolleginnen und (sehr wenigen) Kollegen wählen die Freiberuflichkeit, gehen der klinischen Geburtshilfe meist für immer verloren.

Eine erfahrene Hebamme als Patin

Ein vom Land gefördertes Wiedereinstiegsprojekt am Bürgerhospital Frankfurt eröffnet ihnen die Möglichkeit, Stück für Stück wieder zurückzukehren. Zur ersten Infoveranstaltung kamen acht Interessierte, am 13. Dezember fand eine weitere statt. Friederike Kim ist eine der drei Projektverantwortlichen, Ulrike Schnitzler, leitende Hebamme im Bürgerhospital, hat mit Kolleginnen das Konzept erarbeitet. Es fußt auf der Erkenntnis, dass bundesweit rund 2700 Hebammen an einer Rückkehr in eine klinische Berufstätigkeit interessiert sind. Aber nur unter der Voraussetzung verbesserter Rahmenbedingungen. »Zurück zu dem, was wirklich zählt« ist die Kampagne überschrieben. Sie verspricht eine an den individuellen Bedürfnissen ausgerichteten Wiedereinstieg in das Angestelltenverhältnis. Die Teilnahme ist schon ab einem Arbeitsumfang von 50 Prozent möglich. Die Vergütung entspricht vom ersten Tag an dem der fest Angestellten.

Drei Monate steht eine erfahrene Hebamme als Patin zur Seite. »Wir geben dir Zeit, dein geburtshilfliches Know-how aufzufrischen und dich in unserer Arbeitsstruktur zurechtzufinden«, heißt es auf der Website der Kampagne. Was nicht bedeute, dass die Wiedereinsteigerinnen lediglich mitlaufen, stellen Kim und Schnitzler im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau klar. Sie sollen mit anpacken - schließlich haben sie ihr Handwerk gelernt. Sie haben in den in Theorieblöcken und Praxiswochen aufgeteilten drei Monaten aber Zeit, sich auf den aktuellen Stand zu bringen, Kreißsaal und die anderen Bereiche von Hessens größter geburtshilflichen Einrichtung kennenzulernen. Sollten sie sich anschließend zum Bleiben entscheiden, schließt das eine zusätzliche freiberufliche Tätigkeit nicht aus. In dem Beruf ist das nahezu die Regel, sagt Kim, die aus eigener Erfahrung weiß, was Hebammen für den Wiedereinstieg nach der Kinderpause brauchen.

Das wissenschaftlich begleitete Modellprojekt ist Ergebnis des runden Tischs Geburts- und Hebammenhilfe, den Hessens Sozialminister Kai Klose (Grüne) angesichts des drohenden Personalmangels ins Leben gerufen hatte. Ein Gutachten aus dem Jahr 2019 kommt zu dem Schluss, dass der Mehrbedarf an Hebammen für Geburten in Krankenhäusern bis 2030 bei 22 Prozent liegt. Das Land Hessen trägt rund die Hälfte der Kosten. Nach Angaben des Ministeriums sind bis 2024 zwei Projektdurchläufe mit jeweils acht bis 15 Wiedereinsteigerinnen geplant.

Das mit den männlichen Kollegen könnte schwierig werden. Zu ersten Infoveranstaltung kamen jedenfalls nur Frauen - jüngere und ältere, deren Examen bis zu 15 Jahre hinter ihnen liegt. Demnächst beginnt die Bewerbungsphase. Dann wird sich zeigen, ob sich das Angebot dazu eignet, zur Rückkehr in den Kreißsaal zu motivieren. Jutta Rippegather

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