»Es zählt jeder Tag«

Wiesbaden - Die rasante Ausbreitung des Coronavirus soll mit massiven Einschränkungen gestoppt werden. Auch in Hessen müssen deshalb vom kommenden Montag an Restaurants und Kultureinrichtungen fast den gesamten November schließen. Auch der Freizeit- und Sportbereich legt, wie in den anderen Bundesländern auch, eine Zwangspause ein. Das sagte Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) am Mittwoch nach einer gemeinsamen Schalte mit den anderen Länderchefs und Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Schulen und Kindergärten sowie Geschäfte des Einzelhandels bleiben geöffnet.
In Hessen dürfen sich von Montag an nur noch Angehörige aus zwei Haushalten mit maximal zehn Personen zusammen in der Öffentlichkeit aufhalten. Bislang durften sich bis zu zehn Menschen aus verschiedenen Haushalten in der Öffentlichkeit treffen.
Das hessische Corona-Kabinett will heute die Umsetzung der Bund-Länder-Beschlüsse auf den Weg bringen. Der Ministerpräsident sagte, dass er auch eine Sondersitzung des Landtags beantragt habe. Im Parlament wolle er dann in einer Regierungserklärung die Maßnahmen der Landesregierung zum Schutz vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus erläutern. Auch die Opposition im hessischen Landtag forderte eine Sondersitzung des Parlaments wegen der neuen einschneidenden Regelungen für die Bevölkerung.
Bouffier warb für die teils strikten Maßnahmen: Das Entscheidende sei, dass es gerade in der jüngsten Zeit ein explosionsartiges Infektionsgeschehen gegeben habe. »Die Lage ist ernst«, sagte er. »Das, was wir jetzt machen, das dient ausschließlich dem Zweck, die Infektionsketten einzudämmen, zu brechen«, erläuterte der CDU-Politiker. Damit sollen noch viel härtere Maßnahmen verhindert werden. »Wenn wir jetzt nicht handeln, dann werden wir in eine Situation kommen, in der wir die Dinge nicht mehr beherrschen«, mahnte der Regierungschef. »Es zählt jeder Tag.« Es müsse eine nationale Gesundheitsnotlage vermieden werden. Der Ministerpräsident sagte, er sei gegen eine vollständige Schließung von Alten- und Pflegeheimen. Ältere Menschen müssten weiter Kontaktmöglichkeiten haben.
Die Zahl der Corona-Infektionen in Hessen ist nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) am Mittwoch um 1488 gestiegen (Stand Mittwoch, 0 Uhr) auf insgesamt 35 688 Fälle seit Beginn der Pandemie. Zwölf Menschen seien innerhalb eines Tages im Zusammenhang mit dem Virus in Hessen gestorben. Damit stieg die Zahl der Todesopfer auf 629.
155 Patienten auf Intensivstationen
Unter den Städten lagen weiter Frankfurt (216,8) und Offenbach (204,2) über dem Inzidenzwert von 200, auch der Kreis Marburg-Biedenkopf (219) ist betroffen. Der Wert misst die Zahl der Infektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen. Nach dem Intensivregister der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin lagen zuletzt in Hessen 155 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, das entspreche neun Prozent der belegten Intensivbetten. 87 Patienten wurden demnach beatmet.
Die hessische Wirtschaft kritisiert die Schließung der Gastronomie und schärfere Regeln für die Reisebranche. Solche Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie seien »überzogen, weil ungeeignet und unverhältnismäßig«, monierte die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU). »Im Bahn- und Luftverkehr sowie bei Restaurantbesuchen und Hotelübernachtungen gibt es keine gefährliche Anzahl an Neuin- fektionen, weil vernünftige Schutzkonzepte praktiziert werden und gut wirken«, sag-te VhU-Hauptgeschäftsführer Dirk Pollert.
Der Branchenverband DEHOGA Hessen hält eine neuerliche Schließung gastronomischer Betriebe für nicht gerechtfertigt. »Dass der Schutz der Gesundheit an erster Stelle steht, ist auch aus Sicht des DEHOGA Hessen unbestritten«, erklärte der Verband in Wiesbaden. Allerdings halte man Schließungen für das Gastgewerbe für unverhältnismäßig. dpa