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Wenn das Meer sich seinen Raum zurückholt

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Bad Vilbel (koe). Harald Brünner lebt in einer ganz besonderen Welt - zumindest wenn er fast 40 Meter tief im Meer taucht. Seine Leidenschaft sind Wracks. Dabei hat er besonders die Natur im Blick. Er und seine Tauchkameraden schauen sich an, wie das Meer beispielsweise ein gesunkenes Schiff annimmt und zu einem neuen Lebensraum macht.

Bad Vilbel (koe). Harald Brünner lebt in einer ganz besonderen Welt - zumindest wenn er fast 40 Meter tief im Meer taucht. Seine Leidenschaft sind Wracks. Dabei hat er besonders die Natur im Blick. Er und seine Tauchkameraden schauen sich an, wie das Meer beispielsweise ein gesunkenes Schiff annimmt und zu einem neuen Lebensraum macht. Kürzlich ist der Vilbeler mit seinem Tauchclub aus Le Liban im Mittelmeer zurückgekommen. Dort haben er und andere Mitglieder aus der Quellenstadt nach einem Schiff getaucht, das 1903 gesunken ist.

»Das Meer holt sich das Wrack zurück«, sagt Brünner. Das haben er und seine Kameraden in den vergangenen Jahrzehnten entdeckt. Gegründet wurde der Tauchclub 1970 von Bernd Ehlers in Eschborn und nennt sich Unterwassergemeinschaft Ehlers - kurz Uwage. Brünner ist seit insgesamt 26 Jahren dort Mitglied und investiert viel Zeit in seinen Sport. Rund 1000 Tauchgänge hat er bereits absolviert und dazu zählen Übungen wie in einem Schwimmbad nicht. Er hat eine besondere Affinität zu Wasser. Er ist, wie er sagt, damit groß geworden. Seine Eltern waren beide aktiv in der Deutschen-Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) in Frankfurt. Daher hat er als Kind bereits gelernt, was ein Rettungsschwimmer können muss.

Auch sein Vater hatte eine große Leidenschaft fürs Tauchen. Er ist 1977 der Uwage beigetreten. Sein Sohn Harald ist allerdings erst durch einen Schicksalsschlag zum Verein gekommen. In den 1980er-Jahren ist der Vater nicht mehr von einem Tauchgang in Jugoslawien zurückgekehrt. »Wir wissen nicht, was passiert ist. Er ist nie gefunden worden«, sagt Brünner. Da ihn immer wieder die Frage beschäftigt habe, wie das geschehen konnte, wollte er selber mit dem Tauchen anfangen. »Ich habe mir gedacht, ›Mach es richtig‹, und bin zur Uwage gegangen.« Dort war er als Rettungsschwimmer gerne gesehen, denn um bei der Gemeinschaft mittauchen zu können, braucht man Tauch- und Wassererfahrung. In speziellen Lehrgängen und dem wöchentlichen Training lernen die Mitglieder die Besonderheiten des Wracktauchens kennen.

Neben den faszinierenden Eindrücken, die Brünner bei den Expeditionen ins Mittelmeer bekommt, ist er sich immer der Gefahr bewusst: »Ich habe Respekt vor dem Wasser, es kann immer etwas passieren«. Damit meint er, dass man sich in den Wracks verhaken kann oder dass Sand aufgewirbelt wird und man nichts mehr sieht. Daher tauchen die Mitglieder immer nur zu zweit und nie direkt in die Wracks. Außerdem haben sie mehrere Sauerstoffflaschen dabei und zusätzlich welche für den Auf- und Abstieg.

Etwa 40 Meter können sich die Sportler dem Meeresboden nähern. »Dann herrscht die beste Sicht, und man sieht noch Fische und Pflanzen«. Diese nehmen mit den Jahren Dinge an, die im Meer liegen: So wachsen in den Wracks wieder Korallen, Fische schwimmen umher und haben einen neuen Lebensraum gefunden. Genau das ist es, was die Mitglieder des Tauchclubs schützen möchten. Ihnen geht es um die Flora und Fauna und darum, dies anderen zu zeigen. Deshalb filmt Ehlers mit seinem Team und sie machen viele Bilder. Da eine speziell angefertigte Ausrüstung für diese Tauchgänge extrem teuer wäre, baut der Gründer alle Utensilien selber. So hat er ein Unterwasserhaus gestaltet, in dem die Taucher länger in der Tiefe bleiben können.

Es ist unten offen und wird vom Schiff mit Luft versorgt. Auch Schutzkapseln für Kameras und Fotoapparate sind »Marke Eigenbau«. »Wir sind alle Handwerker oder Ingenieure, das hilft enorm«, meint Brünner.

Um ein Wrack wie das von 1903 zu besichtigen, braucht es viel Planung. Normalerweise werden die Expeditionen zwölf Monate vorbereitet. Bei Le Liban waren es fünf Jahre, weil bei einem ersten Versuch das Wetter nicht mitspielte. Viel Zeit und Geld investieren alle Mitglieder in ihr Hobby. Und Harald Brünner ist nicht der einzige aus Bad Vilbel, der dieser Leidenschaft erlegen ist. Mit ihm dabei sind Jochen Brünner, Gabriele Brünner, Sascha Werner und Harald Brünners Ehefrau Christine.

Besonders beeindruckt war Harald Brünner von einem Tauchgang 2007 in Thailand - und zwar in dem Gebiet, über das im Dezember 2004 der Tsunami hereinbrach. »Es ist unglaublich, welche Kraft die Natur hat, das sieht man bis heute«, so Brünner. Unter Wasser sind alle Korallen kaputt: »Wo die Korallen tot sind, gibt es auch keine Fische mehr, deshalb dürfen sie nicht noch von Menschenhand zerstört werden.

« Denkt man an Wracks und den Meeresgrund, könnte man meinen, die Taucher haben schon einmal einen Schatz entdeckt - dem war aber bisher nicht so: »Die Einheimischen sind schneller - unser Schatz ist die Natur, die wir schützen möchten«, erklärt Brünner.

Auch für dieses Jahr haben die insgesamt 30 Mitglieder schon ein Ziel für eine Expedition. Sie wollen ein im Zweiten Weltkrieg abgestürztes Flugzeug im Mittelmeer betauchen. »Es geht zur ›Me 109‹ bei Marseille«, erklärt Brünner. Damit dort alles reibungslos klappt, wird bereits seit Längerem geplant. Außerdem müssen alle trainieren. Dazu trifft sich der Verein im Winter im Hallenbad in Eschborn und im Sommer im Freibad in Königstein.

Wer Interesse daran hat, selber bei der Uwage mitzumachen, sollte Tauchscheine haben und sich für Fotos, Filme und besonders den Naturschutz interessieren (Infos: uwage.de).

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