Wachsende Booster-Nachfrage

Frankfurt - In Hessen gibt es wieder ein größeres Interesse an Corona-Auffrischungsimpfungen, seitdem der neue Impfstoff verfügbar ist. Er ist an die Omikron-Varianten BA.4 und BA.5 angepasst. Die Gesundheitsbehörden berichten von einem größeren Interesse, auch Hausärzte sehen einen Anstieg - allerdings auch einen größeren Beratungsaufwand.
»Die Verunsicherung ist sehr groß«, berichtet der Wiesbadener Mediziner Christian Sommerbrodt, der auch Vorstandsmitglied beim Hausärzteverband Hessen ist. Da es nun »mehrere mehr oder minder gleichwertige Impfstoffe« gebe, fühlten sich Patienten etwas alleine gelassen. Entsprechend sei mehr Beratung nötig. Die Anfragen nach einer vierten Impfung liegen dem Hausarzt zufolge aktuell auf einem mäßigen Niveau, steigen aber wieder - die zweite Auffrischungsimpfung wird nur für bestimmte Gruppen empfohlen.
Impfung möglich ab 12 Jahren
In den vergangenen Wochen sind in der EU mehrere fortentwickelte Corona-Impfstoffe zugelassen worden. Sie tragen der seit Monaten vorherrschenden Omikron-Variante Rechnung. Möglich ist der Einsatz bei Menschen ab 12 Jahren als Auffrischungsimpfung. Es geht um an die Sublinie BA.1 angepasste Präparate sowie um einen noch etwas neueren BA.4/BA.5-Impfstoff. Neben Omikron wird mit den neuen Vakzinen auch noch das ursprüngliche Coronavirus berücksichtigt. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) hat die seit Mitte Juni dominierende Omikron-Sublinie BA.5 andere Varianten fast vollständig verdrängt.
In Hessen bieten nicht nur niedergelassene Ärzte Corona-Impfungen an, sondern es gibt auch Angebote der Kreise oder Kommunen. Die Nachfrage im Impfzentrum steige, seit mit dem BA.4/BA.5-Präparat geboostert werde, heißt es etwa aus der Stadt Frankfurt. Das ist hier seit rund einer Woche möglich. Die Kapazitäten seien ausreichend, berichtet eine Sprecherin des Gesundheitsamtes.
Seit dem 23. September setzt der Kreis Marburg-Biedenkopf das an die Varianten BA.4 und BA.5 angepasste Vakzin für Auffrischungsimpfungen ein. Die Booster seien seither stärker nachgefragt, teilt ein Kreissprecher mit. Die Zahl der Auffrischungsimpfungen gehe wieder hoch: Am Mittwoch vergangener Woche beispielsweise seien 120 Dosen verabreicht worden. Vorher seien es mitunter nur 30 bis 50 gewesen. Bei 90 Prozent der Impfungen handelt es sich um den zweiten Booster mit dem BA.4/BA.5-Vakzin.
Auch im Kreis Gießen können sich Menschen seit fast zwei Wochen damit ihren Schutz vor dem Coronavirus auffrischen lassen. Man beobachte eine leicht höhere Nachfrage nach den Auffrischungsimpfungen im Impfcenter.
Die an die BA.1-Sublinie angepassten Präparate sind offenbar deutlich weniger gewünscht als der BA.4/ BA.5-Impfstoff: Man biete zwar auch ein BA.1-Mittel weiterhin an, teilt der Kreis Gießen mit. »Seit Einführung des BA.4/BA.5-Impfstoffes ist dessen Nachfrage allerdings zurückgegangen. Nahezu alle, die sich aktuell für eine Auffrischungsimpfung interessieren, fragen nach dem Corona-Impfstoff BA.4 und 5.« Ähnliches bemerkt der Kreis Marburg-Biedenkopf. Eine Sprecherin des Frankfurter Gesundheitsamtes berichtet: »Es wird explizit nach BA.4/BA.5 gefragt.«
Einige Patienten seien angesichts des nun breiteren Impfstoff-Angebots irritiert, berichtet Hausarzt Sommerbrodt. »Grundsätzlich wirkt auch die alte Impfung«, sagt er. »Das, was wir wollen, nämlich einen schweren Verlauf verhindern, das geht auch mit den alten Impfstoffen wunderbar.« Zu den angepassten Vakzinen könne gesagt werden, dass der Unterschied zwischen BA.1 und BA.4/5 genetisch relativ gering sei, »sodass wahrscheinlich nur ein kleiner Benefit beim Vier-Fünfer liegt. Das, was wir wissen, ist, dass beide Impfstoffe gut sind und dass sie ungefähr äquivalent sind.«
Verunsicherung und offene Fragen
Auch der erste Vorsitzende des Hausärzteverbandes Hessen, Armin Beck, bemerkt Verunsicherung und offene Fragen bei Patienten: »Ist eine fünfte Impfung nötig? Wie ist die Situation für die zwischenzeitlich Genesenen?« Das seien Fragen, die eine Rolle spielten. Viele Punkte müssten die Ärzte individuell beantworten.
In seiner Praxis in Hofheim fange es jetzt langsam mit der Nachfrage nach den angepassten Impfstoffen an, berichtet Beck. Hessenweit sei die Lage schwierig einzuschätzen, doch für den Frankfurter Speckgürtel könne er sagen: »Die Nachfrage ist vorhanden, aber nicht so, dass wir überlaufen. Es ist ganz gut beherrschbar.« Was gar keine Rolle mehr spiele: Eine Erstimpfung gegen das Coronavirus. »Schon lange nicht mehr« sei diese von Patienten angefragt worden.