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»Von Schwangerschaft nichts bemerkt«

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Limburg/Mittenaar (dfl). In dem Prozess gegen eine mittlerweile 22-jährige Frau, die im November 2008 ihr gesund zur Welt gekommenes Baby getötet haben soll, hat die Angeklagte aus Mittenaar am Dienstag bekräftigt, von einer Schwangerschaft nichts bemerkt zu haben.

Sie habe nach heftigen Bauchkrämpfen das Kind in der Toilettenschüssel bekommen, in ein Handtuch eingewickelt, in eine Mülltüte gesteckt und in die Papiermülltonne gelegt, berichtete sie unter Tränen.

Ein Gerichtsmediziner sprach von einem reifen und gesunden Säugling, der mehrere Minuten gelebt habe und in der Mülltüte erstickt sei. »Mir ist nie etwas aufgefallen, ich habe so gut wie gar nichts gespürt«, beteuerte die Angeklagte.

»Das kann nicht sein. Ich habe selbst zwei Kinder. Ein Kind strampelt, boxt«, redete ihr die Vorsitzende Richterin ins Gewissen und hakte nach: »Womit haben sie das erklärt?« - Antwort: »Nicht mit einer Schwangerschaft. Ich habe mir keine großen Gedanken gemacht, weil ich in der Prüfung war.«

Am Vortag hatte sie bis 12 Uhr gearbeitet und anschließend Weihnachtsgeschenke eingekauft. Am Abend ging sie mit ihrem Verlobten zu Bett, stieg aber um 23 Uhr wegen starker Bauchkrämpfe auf. »Ich dachte, es sei vom Essen«, sagte die Angeklagte. »Dann bin ich noch einige Male in der Wohnung hin- und hergelaufen, bin zur Toilette und habe gedrückt. Dann kam das Baby heraus. Ich war wie weggetreten, wusste gar nicht so recht, was da passiert«, sagte sie unter Tränen. Die Verhandlung musste unterbrochen werden, weil die Frau nur noch weinte.

Sie wisse nicht, warum sie ihren Freund nicht gerufen habe, der nebenan schlief. »Ich dachte, er würde mir Vorwürfe machen. Ich hatte Angst vor allem.« Wie sie die Nachgeburt entfernt habe, wisse sie nicht mehr. Nachdem sie das Kind zur Mülltonne gebracht habe, habe sie sich auf die Couch gelegt und geweint. Ihr Verlobter ging am Morgen zur Arbeit, fragte noch, ob alles in Ordnung sei. Seine Mutter versorgte die junge Frau mit Tee. Zwei Tage später musste sie mit starken Blutungen ins Krankenhaus; dort erzählte sie von der Geburt.

Richter und Staatsanwältin wollten es nicht glauben. Eine junge Frau, die die Berufsfachschule Fachrichtung Medizin besucht hatte und von zu Hause aufgeklärt, wolle ihre Schwangerschaft nicht bemerkt haben. Angesprochen etwa von ihrer Mutter auf eine Schwangerschaft hatte sie das verneint. Ihre Mutter sagte am Dienstag aus, dass sie Zweifel gehabt habe, dass ihre Tochter nicht schwanger gewesen sei.

Die 22-Jährige gab an, sie habe regelmäßig die Pille genommen und ihre Regel bekommen. Ihr Verlobter soll gesagt haben, dass sie zu dick sei und abnehmen könne. Er machte von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. »Ich hatte Prüfungsstress, später Stress bei der Arbeit. Da habe ich mehr Süßigkeiten gegessen«, begründete die Angeklagte ihre Gewichtszunahme. Ihr Vater schilderte seine Tochter als sehr ängstlich und verschlossen; bei Problemen ziehe sie sich zurück. Eine Schwangerschaft wäre für die Familie kein Problem gewesen, sagte der Vater. Der Prozess soll am Donnerstag fortgesetzt werden.

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