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Von Gesinnung und Gefahren

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Der Angeklagte Franco A. steht hinter der Anklagebank im Hochsicherheitssaal des Oberlandesgerichts in Frankfurt. © DPA Deutsche Presseagentur

Die Anklage forderte sechseinhalb Jahre Haft, die Verteidiger im wichtigsten Anklagepunkt Freispruch. Morgen soll das Urteil im Prozess gegen den terrorverdächtigen Bundeswehroffizier Franco A. verkündet werden.

Ist der Bundeswehroffizier Franco A. ein gefährlicher Rechtsextremist, der Waffen hortete und Anschläge auf Politiker plante? Oder hat der 33-Jährige zwar ein eher kontroverses Weltbild und einige gewöhnungsbedürftige Verhaltensweisen, steht aber zu Unrecht unter Terrorverdacht? Für den morgigen Freitag wird vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt das Urteil erwartet - vorausgesetzt, es gibt nicht wie bereits mehrfach während des Verfahrens einen coronabedingten Ausfall.

Der seit Mai 2021 in Frankfurt verhandelte Fall erinnert an einen Polit-Thriller: Ein Mann wird 2017 auf dem Wiener Flughafen festgenommen, als er eine geladene Pistole aus einer Flughafentoilette entfernen will. Wie sich herausstellt, ist er Offizier der Bundeswehr. Und der Abgleich seiner Fingerabdrücke hält eine weitere Überraschung bereit: Der Offizier einer deutsch-französischen Einheit im Elsass führte seit Monaten ein Doppelleben als angeblicher syrischer Flüchtling. Was hatte Franco A. vor?

Sechseinhalb Jahre Haft gefordert

Die Bundesanwaltschaft forderte im Juni in ihrem Plädoyer eine sechseinhalbjährige Haftstrafe, unter anderem wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat. Die Vertreter der Bundesanwaltschaft sehen in Franco A. einen gefährlichen Rechtsextremisten, der Anschläge geplant, Waffen gehortet und politisch Andersdenkende ausgespäht hat. Auch Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz wirft die Anklage A. vor, zudem Betrug. Denn in seiner Rolle als angeblicher Flüchtling erhielt er Sach- und Geldleistungen.

Die Beweisaufnahme habe Erkenntnisse zutage gefördert, die »viel mit Gesinnung, aber wenig mit Straftaten« zu tun hätten, sagte dagegen Johannes Hock, einer der Verteidiger von A., in seinem Schlussvortrag in der vergangenen Woche. Für den Vorwurf der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat forderte er einen Freispruch nach dem Rechtsprinzip »Im Zweifel für den Angeklagten«. Für die übrigen Vorwürfe der Anklage hielt die Verteidigung eine Geld- oder Bewährungsstrafe für angemessen.

Vollbärtig und mit langen, zusammengebundenen Haaren entspricht A., der gern karierte Hemden trägt und zu langen, wenn auch nicht immer erhellenden Erklärungen neigt, nicht gerade den Klischeevorstellungen eines Rechtsextremisten. Zwischenzeitlich nahm er ein Jurastudium auf, auch wenn er sich in dem Verfahren vom Vorsitzenden Richter Christoph Koller wiederholt wegen lückenhafter und inkorrekter Anträge belehren lassen musste.

Er sei ein vielseitig interessierter Mensch, der auch schon mal spontan Menschen aufsuche, an die er Fragen habe - so zeichnen die Anwälte das Bild ihres Mandanten. Mit dem Doppelleben als angeblicher Flüchtling habe er Missstände im System aufdecken wollen. Der Besuch in der Amadeu-Antonio-Stiftung sei ein Beispiel dieser Neugier gewesen und keinesfalls die Ausspähung für einen geplanten Anschlag.

Fantasien über Militärputsch

Für die bei A. gefundenen Notizen gibt es aus Sicht der Verteidiger harmlose Erklärungen, ebenso für die Pistole: Nach einem alkoholreichen Abend habe er die Waffe gefunden, als er »im Gebüsch pinkeln« wollte. Erst kurz vor der Sicherheitskontrolle am Flughafen am folgenden Tag sei ihm klar geworden, dass er die Pistole noch in der Jacke hatte. Spurensicherer sagten allerdings vor Gericht aus, Fingerabdrücke von A. seien auch im Inneren der Waffe gefunden worden.

Trotz des Terrorverdachts befand sich der Angeklagte seit November 2017 auf freiem Fuß. Im Februar wurde er allerdings erneut festgenommen und in Untersuchungshaft genommen. Das Gericht sah Flucht- und Verdunkelungsgefahr. Dabei geht es auch um den Verbleib dreier Waffen, die A. nach eigenem Eingeständnis besaß, über deren Verbleib er aber nichts sagen wollte.

Bei seiner erneuten Festnahme führte A. Tagebücher bei sich, die ebenfalls Fragen aufwerfen. In Passagen, die vor Gericht verlesen wurden, war von Fantasien über einen Militärputsch die Rede. Auch über eine nicht weiter ausgeführte »Endlösung« machte er sich offenbar Gedanken, blieb auf Nachfragen des Gerichts aber Antworten schuldig. Antisemitische Verschwörungstheorien, die A. auch vor Gericht verbreitete, trüben ebenfalls die Darstellung eines in seiner Neugier womöglich ungewöhnlich vorgehenden, aber grundsätzlich harmlosen Mannes.

In seinem »letzten Wort« in der vergangenen Woche jedenfalls äußerte sich Angeklagter A. ungewöhnlich knapp und scheinbar einsichtig: Viele schmerzliche Erfahrungen habe er auch selbst verschuldet. »Dass das Verfahren so lange dauerte, dazu habe ich selbst beigetragen.«

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