Winterausflügler stürmen Vogelsberg: Menschenmassen lösen Verzweiflung am Hoherodskopf aus

Lockdown, Feiertage, Ski- und Urlaubsgebiete zu: Da stürmen viele die hessischen Höhenlagen. Das führt zu massiven Problemen. Dem Grebenhainer Bürgermeister Sebastian Stang platzte der Kragen.
Vogelsberg –Sebastian Stang klingt schwer mitgenommen und verzweifelt. Was der Grebenhainer Bürgermeister in den vergangenen Tagen beim Ansturm von Ausflüglern erlebte, beschäftigt ihn immer noch. Als Hoherodskopf und Herchenhainer Höhe eingeschneit waren, setzte der Run auf die Vogelsberger Höhen ein. Nachdem die Parkplätze dort voll waren, parkten die Ausflügler einfach wild irgendwo. Polizei und Ordnungsamtsmitarbeiter kamen mit dem Kontrollieren nicht mehr nach.
Deshalb setzt Stang einen emotionalen Appell ab: »Wir sind ehrlich gesagt ratlos, was wir noch machen sollen, damit die Menschen nicht unseren Vogelsberg und die anderen bekannten Winterfreizeitgebiete in Hessen überrennen.« Seit Weihnachten verzeichne man ein »noch nie da gewesenes Besucheraufkommen«. Im Vogelsberg sah man sich deshalb schon gezwungen, die Zufahrten und Parkplätze zum Hausberg, dem Hoherodskopf, sowie der Herchenhainer Höhe tagsüber zu sperren, nachdem Rettungswege zugeparkt und Abstandsregeln sowie Versammlungsverbote missachtet wurden.

Winter-Ausflüge in den Vogelsberg: Parkplätze überfüllt, Zufahrten gesperrt
Trotz halbstündiger Radiodurchsagen, dass in den Winterfreizeitgebieten die Zufahrten gesperrt und die Parkplätze überfüllt seien, hätten sich Tausende von Menschen nicht abhalten lassen.
Besucher parkten an Feldwegen, auf Wiesen und in Feldern. Autoreifen hinterließen beschädigte Äcker und die Wageninsassen Unappetitliches in Vorgärten. Zudem leiden Natur und Wildtiere, so Stang, weil sie wegen der Menschenmassen permanent unter Stress stehen. Stang: »Es wäre schön, wenn alle, die jetzt hierher stürmen, sich auch in Nach-Corona-Zeiten mal an den Vogelsberg erinnern würden. Denn in normalen Zeiten haben unsere Gastronomen schwer zu kämpfen.«
Seine aktuell eindringliche Bitte »an alle Hessen sowie die Tagesausflügler aus den Nachbarbundesländern« lautet aber: »Bleiben Sie bitte zu Hause. Halten Sie Abstand und helfen Sie durch diesen Verzicht, die Infektionszahlen zu senken, damit wir in diesem Jahr wieder die Chance auf Normalität erhalten können.«
Vogelsberg: Hessen aus Ballungsgebieten entdeckten Hoherodskopf und Herchenhainer Höhe für sich
Denn was Stang zuletzt über die Feiertage beobachtet hat, das war nicht selten deutlich jenseits von »AHA-Regeln«. »Da zog etwa eine Gruppe von 15 Leuten einen Schlitten mit Glühweinfass hintendrauf.« Vielen scheine nicht bewusst zu sein, wie ernst die Lage ist und welche Anstrengungen und persönliche Opfer Menschen im Bereich der Gesundheitsversorgung, der öffentlichen Verwaltungen, der Polizei, der Feuerwehr und nicht zuletzt der Branchen, die derzeit komplett geschlossen sind, erbringen würden. »Bei vielen geht es um nicht weniger als die eigene Existenz.«
Viele der Ausflügler kommen demnach von weiter her, aus Frankfurt, Offenbach, Hanau, Gießen, Wetzlar oder Marburg und aus Nachbarbundesländern.
In einer Telefonkonferenz mit Polizei, Ordnungsbehörden, Kreisvertretern wurde Anfang der Woche deutlich, wie schwer es ist, den Andrang zu kanalisieren und nicht jeden Wintersportler, der ein paar Langlaufrunden drehen will, auszubremsen.
Doch Ideen wie die, an manchen Tagen nur Besucher mit geraden Zahlen auf dem Kennzeichen hochfahren zu lassen, wurden schnell wieder verworfen. »Wer soll das denn kontrollieren? Wir haben gerade mal zwei Mitarbeiter im Ordungsamt«, sagt Stang. Die Ressourcen auf dem Land seien einfach erschöpft.
Winterausflügler überrennen Vogelsberg: „Müssen uns alle am Riemen reißen“
Er wolle kein Spaßverderber sein, aber: »Es geht einfach nicht mehr. Wir müssen uns jetzt alle noch ein paar Monate am Riemen reißen.« Der Verwaltungschef äußert Verständnis, dass Leuten die Decke auf den Kopf fällt, trotzdem dürfe das nicht zu egoistischem und ungezügeltem Freizeitverhalten führen.
Als Bürgermeister bekomme er durch das Standesamt sehr genau mit, »welche Menschen in unserer Kommune, ob Jung oder Alt, den Kampf gegen das Virus verloren haben«. Für ihn habe daher die Pandemie eine sehr persönliche und sehr belastende Seite, »weil wir viele verlieren und noch verlieren werden, mit denen wir gerne im letzten Jahr und auch in diesem Jahr gefeiert und gelacht hätten«.
Deshalb sein abschließender Appell: »Bitte bleiben Sie zu Hause und zeigen Sie sich solidarisch. Und wenn Ausflug, dann bitte in Hessen verteilen, es gibt doch genug Platz.«