»Unhaltbare Zustände für Pendler«

Wetzlar/Dillenburg/Gießen - Verspätungen und Zugausfälle - wer als Pendler mit der Bahn aus Mittelhessen nach Frankfurt (und wieder zurück) will, hat in diesen Wochen keine Freude am öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Wer zur Arbeit ins Rhein-Main-Gebiet muss, hat zurzeit die Wahl zwischen Pest und Cholera: Das schlechte Bahnangebot oder mit dem eigenen Auto in den Stau auf der Autobahn 5.
Der Kreistag des Lahn-Dill-Kreises hat sich deshalb in seiner Sitzung in dieser Woche in Wetzlar in einer Resolution einstimmig für die Bahnfahrer starkgemacht und Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) sowie Deutsche Bahn aufgefordert, »nachdrücklich auf eine sofortige Verbesserung der aktuellen Situation« auf der Strecke hinzuwirken.
Grund für die aktuellen Probleme: Die Bahn baut das Schienennetz zwischen Bad Vilbel und Frankfurt aus. Seit 9. Juli bis 5. September ist dieser Abschnitt komplett gesperrt, weil bei Bad Vilbel eine Brücke über die Nidda abgerissen und dann ersetzt werden soll. Züge aus Gießen in Richtung Frankfurt werden deshalb ab Friedberg über Hanau umgeleitet. Das führt wiede-rum zu Verspätungen. Zudem kommt es zu ausgedünnten Taktungen. Und der erst im Dezember eingeführte Intercity 34 zwischen Münster und Frankfurt (mit Halten in Dillenburg und Wetzlar) endet nun bereits in Friedberg.
Der Hessische Rundfunk hatte berichtet: 60 000 Fahrgäste nutzten die Strecke vorbei an Bad Vilbel laut RMV an einem typischen Wochentag. 300 Fernzüge, Regionalexpresszüge, S-Bahnen und Güterzüge rollten dort täglich, bisher alle auf demselben Paar Schienen. Der Kreistag formuliert in seiner Resolution an Bahn AG und RMV: Die Abgeordneten begrüßten die »vermehrten Anstrengungen zum Ausbau und der Instandhaltung des Bahnnetzes«. Der viergleisige Ausbau Richtung Frankfurt habe auch eine wichtige Bedeutung für die Verbesserung des ÖPNV in Wetzlar und dem weiteren Lahn-Dill-Kreis.
Dann das Aber. Der Kreistag sieht wegen der Arbeiten zwischen Bad Vilbel und Frankfurt »untragbare Einschränkungen im Schienenverkehr«. Mehrstündige Verspätungen, Zugausfälle sowie Umleitungen im Fernverkehr und damit der Wegfall von IC- beziehungsweise ICE-Verbindungen ab Gießen seien die Folge.
In der Resolution heißt es weiter: »Dies hat bereits jetzt dazu geführt, dass sich Menschen vom ÖPNV abwenden, weil der Lahn-Dill-Kreis für Fernreisende nicht erreichbar erscheint und insbesondere Pendler wieder auf den Individualverkehr umsteigen.« Der Kreistag forderte den RMV auf, »den Baustellenfahrplan und die Abwicklung in Zusammenarbeit mit der Bahn und den bauausführenden Firmen unverzüglich so anzupassen, dass regelmäßige Verbindungen zwischen der Lahn-Dill-Region und Frankfurt garantiert werden«. Dasselbe gilt für den Kreis und die Stadt Gießen und den Marburger Raum. Die aktuellen Probleme auf der Strecke seien gerade vor dem Hintergrund des 9-Euro-Tickets weder für Reisende noch für Pendler hinnehmbar. Im ungünstigsten Fall stiegen Pendler nun aufs Auto um - und kehrten möglicherweise nicht mehr zum ÖPNV zurück.
CDU sowie die Vierer-Koalition aus SPD, Grünen, FWG und FDP hatten diese Resolution gemeinsam in den Kreistag eingebracht. Der Fahrgastbeirat der Stadt Wetzlar und des Lahn-Dill-Kreises hatte sie zuvor beschlossen. Auch im Marburger Stadtparlament sowie im Kreistag des Landkreises Marburg-Biedenkopf seien entsprechende Resolutionen beschlossen worden. Die Resolution solle auch ein Signal mit Blick auf künftige Baustellenfahrpläne sein, die Belange der Fahrgäste besser als bisher bei den Planungen zu berücksichtigen. Jörgen Linker