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Umzug mit Frühchen und allem

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Eine Herkulesaufgabe: Wenn ein Krankenhaus den Standort wechselt, ist Planung alles. Vor allem, wenn der Umzug im laufenden Betrieb stattfindet. Das Varisano-Klinikum im Stadtteil Höchst hat das am vergangenen Wochenende geschafft. © DPA Deutsche Presseagentur

Das weltweit allererste Krankenhaus im Standard eines Passivhauses steht im Frankfurter Westen. Die Klinik in öffentlicher Hand spart damit Energiekosten. Der Umzug im laufenden Betrieb am vergangenen Wochenende war eine Herausforderung nicht nur der logistischen Art.

Vier Jahre Vorbereitung, 7000 Umzugskisten, 400 Lastwagenladungen, Hunderte Mitarbeiter mit Sonderschichten, zwei Tage Zeit: Wenn ein Krankenhaus umzieht, ist Planung alles. Vor allem, wenn der Umzug im laufenden Betrieb läuft und auch rund 350 Patienten die Räume wechseln müssen - inklusive Intensivpatienten an Beatmungsgeräten, Frühchen in Brutkästen und Menschen mit Demenz. Das Varisano-Klinikum im Frankfurter Stadtteil Höchst hat diese Herkulesaufgabe an diesem Wochenende gestemmt. Am Sonntagmittag kam nach Angaben des Klinikums der letzte der Patienten in seinem neuen Zimmer an.

Der Neubau sei »ein Quantensprung für Patienten und Mitarbeitende«, sagt Martin Menger, Geschäftsführer der Varisano-Kliniken Frankfurt-Main-Taunus, zu denen das nach wie vor kommunale Klinikum Höchst gehört. Das Gebäude im Frankfurter Westen ist - mit Brief und Siegel des Passivhaus-Instituts - das weltweit erste Krankenhaus, das in diesem besonders energiesparenden Baustandard errichtet wurde. Während andere Kliniken über die gestiegenen Energiepreise stöhnen, rechnet Menger mit Einsparungen im siebenstelligen Bereich.

Rund 260 Millionen Euro hat der Neubau gekostet, der aus vier Querriegeln mit sechs Stockwerken besteht. Er bietet Platz für fast 700 Betten. Herzstück ist ein neuer OP-Trakt mit zehn Sälen und Medizintechnik im Gesamtwert von 30 Millionen Euro. Am Freitag zogen erste Klinikbereiche um, etwa das Herzkatheterlabor. Umzugshelfer ziehen Kleiderständer mit Strahlenschutzkitteln, tragen Monitore und Defibrillatoren, schieben Schränke mit Stents und Ballons.

Pfleger Antonio Teixeira Ferreira hat den Umzug vorbereitet. Monatelang hat er Gegenstände beschriftet, Listen angelegt, Transportboxen getestet, Abläufe geplant, in einer Simulation probeeingeräumt: »Der Aufwand ist enorm.« Mit einer Kiste Betäubungsmitteln in den Händen lief er am Freitag zum gefühlt millionsten Mal vom maroden Altbau aus den frühen 1960er Jahren in den lichten, freundlichen Neubau.

1600 Mitarbeiter

Am Übergang zwischen den beiden Gebäuden bauen Arbeiter am Freitag eine Schleuse auf, durch die die Patienten geführt, gefahren, geschoben werden. Damit sie nahtlos weiterversorgt werden können, gibt es an diesem Wochenende alle Funktionsbereiche doppelt, inklusive Personal. Auch die Zentrale Notaufnahme ist am Wochenende ganz normal geöffnet: bis Samstag, 8 Uhr, im Altbau, ab Samstag, 8 Uhr, im Neubau.

Den rund 1600 Mitarbeitern biete der Neubau »die aktuell in Hessen modernsten Arbeitsplätze, die ein Krankenhaus überhaupt bieten kann«, sagte Hessens Sozialminister Kai Klose (Grüne) bei der offiziellen Schlüsselübergabe vor knapp zwei Wochen. Das sieht auch der Chefarzt der Kardiologie so, Prof. Hans Ulrich Hink. Statt eines alten, großen Röntgengeräts hat das Herzkatheterlabor jetzt ein modernes kleines. »Das bedeutet weniger Strahlung und bessere Bilder«.

Während im Altbau vieles verstreut war, liegen nun alle kardiologischen Bereiche nebeneinander. Am Donnerstag war testweise der erste Rettungshubschrauber auf dem neuen Dachlandeplatz gelandet. Die Patienten werden von dort mit einem Aufzug in die Notaufnahme gebracht. In die neue Wagenhalle vor der Notaufnahme passen sechs Rettungswagen. Durch die kürzeren Wege vergehen zwischen Eintreffen und Versorgungsbeginn laut Klinikleitung nur zwei Minuten. Im Altbau gab es zum Teil noch Etagenduschen. Nun haben die Zimmer maximal zwei Betten, je ein eigenes Bad und sollen - dank der Passivhaus-Bauweise - konstant angenehme 22 Grad warm sein. Der Zuschnitt der Zimmer wurde von Pflegekräften mitentwickelt. Die Maße erlauben es, das hintere Bett bei Bedarf aus dem Zimmer zu schieben, ohne den vorderen Bettnachbarn zu stören.

Weitere Bauten

Während die Privatzimmer im obersten Stockwerk mit Sitzgruppe, Schreibtisch und Holzvertäfelung eher einer Hotelsuite gleichen, müssen manche Klinikbereiche noch in den alten Räumen ausharren, etwa die Augenklinik, die Psychiatrie und das Labor. Diese Gebäude wurden erst in den 1980er Jahren gebaut und werden vorerst weitergenutzt. Die Altbauten aus den 1950er und 1960er Jahren werden nach Ende des Umzugs dem Erdboden gleichgemacht. Dort sollen später mit dem zweiten Bauabschnitt weitere Neubauten entstehen.

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