Überraschendes Forschungsergebnis zu keltischem Fürstengrab
Glauburg (geo/dab). Die 16 Pfähle am keltischen Fürstengrab auf dem Glauberg, die für ein Kalenderbauwerk gehalten und rekonstruiert im September 2007 eingeweiht wurden, stellen wohl gar keinen Kalender dar. Vielmehr sind sie in mehreren Phasen errichtet worden und besitzen diverse funktionale Elemente.
Glauburg (geo/dab). Die 16 Pfähle am keltischen Fürstengrab auf dem Glauberg, die für ein Kalenderbauwerk gehalten und rekonstruiert im September 2007 eingeweiht wurden, stellen wohl gar keinen Kalender dar. Vielmehr sind sie in mehreren Phasen errichtet worden und besitzen diverse funktionale Elemente. Manche könnten die Stütze für einen Speicher gewesen sein, während andere eine Brücke getragen haben und wieder andere eine Art Tempel gewesen sein könnten.
Dieses überraschende Forschungsergebnis wurde der Öffentlichkeit am Dienstag bei einem »Runden Tisch zu aktuellen Fragen der Archäoastronomie« auf dem Glauberg präsentiert. Solch neue Erkenntnisse sollen künftig übrigens in die museale Gestaltung des Glauberg-Museums einfließen, das am 5. Mai eröffnet wird.
Zum Hintergrund: Der ehemalige hessische Landesarchäologe Dr. Fritz-Rudolf Herrmann wertet seit rund vier Jahren die Ergebnisse der Grabungsfunde aus den 1990er Jahren auf dem Glauberg aus. Seine Erkenntnisse ergeben völlig neue Interpretationsansätze bezüglich der Pfostenanlage am Grabhügel eins. Das sogenannte Kalenderbauwerk war auch Thema des »Runden Tischs«, bei dem eine hochkarätig besetzte Expertenrunde sich mit der Bedeutung der Pfähle befasste.
Prof. Harald Meller, Landesarchäologe von Sachsen-Anhalt, erklärte, dass 16 Pfosten am Glauberg nachgewiesen wurden, deren Tiefe man aber nicht kannte. Sicher ist: Sie waren nicht gleich hoch. Bei den Pfosten des Getreidespeichers geht Meller zum Beispiel von einer Höhe von drei Metern aus. Die jetzigen, acht Meter hohen Pfosten »verunklaren« laut Meller den Grabhügel, der eigentlich im Vordergrund stehen müsste. Daher schlug er vor, die Pfosten auf ein wahrscheinliches Maß zu kürzen und sie als Stelen aus Cortenstahl zu errichten. Eine Höhe von drei Metern reiche aus.
Als richtig bezeichnete er die astronomischen Beobachtungen von Prof. Bruno Deiss, dem Wissenschaftlichen Direktor des Physikalischen Vereins in Frankfurt. Demnach habe die große Prozessionsstraße eine archäoastronomische Ausrichtung in Richtung Mondwende. »Ob die Pfosten und der Grabhügel damit in Zusammenhang stehen, scheint mir jedoch zweifelhaft«, sagte Meller.
Deiss gab zu, dass man nach den neuesten Erkenntnissen nicht mehr von einem einheitlichen Kalenderbauwerk sprechen könne, sondern von einem Pfostenbauwerk, das von heutigen modernen Menschen als Kalenderbauwerk interpretiert werden könne. Die Pfosten seien eine Konstruktion, keine Rekonstruktion aus keltischer Zeit. »Es ist eine Befundlage. Kein Relikt der Kelten«, betonte Deiss.
Bei seiner Einweihung war das vermeintliche Kalendarium als einmalig in Europa gefeiert worden. Von einem bestimmten Punkt aus markieren die Pfähle die Sommer- und die Wintersonnenwende. Die Kalendertheorie sei nach wie vor eine Interpretationsmöglichkeit, sieht Deiss sich nicht widerlegt. Denkbar sei, dass die Kelten das Pfostenbauwerk als Hilfsmittel benutzten, um den Zyklus der Zeit zu bestimmen. »Als die Pfosten 2007 errichtet wurden, hatten wir nur einen Plan, wo sie standen. Wir wählten eine einheitliche Höhe, weil wir nichts hineininterpretieren wollten«, ergänzte die stellvertretende Landesarchäologin Dr. Vera Rupp.
Von Anfang an sei klar gewesen, dass die Holzpfosten wegen der Verwitterung ersetzt werden müssten. In einen Pfosten schlug bereits der Blitz ein. Wie Katharina von Kurzynski, die Leiterin der »Keltenwelt am Glauberg«, erklärte, soll das Pfostenbauwerk möglichst noch vor der Eröffnung umgebaut werden. Die Pfosten sollen gekürzt und in Stahl ausgeführt werden, um ihren Charakter als modernes Bauwerk zu unterstreichen. Die Pfosten sollten einerseits »Land-Art« signalisieren, andererseits als Sichtbarmachung von Archäologie verstanden werden.