»Überall stehen verwaiste Koffer«

Frankfurt - Es ist ein Tarifabschluss, von dem die meisten nur träumen können: 14 Prozent mehr Geld und eine Einmalzahlung von 700 Euro hat Verdi für die rund 3500 Beschäftigten der Bodenverkehrsdienste der Fraport-Tochter Fraground erzielt. Ein zufriedenstellendes Ergebnis, aber ein erwartbares angesichts der akuten Personalnot, die sich längst auf die Qualität der Gepäckabfertigung auswirkt.
So auch wieder am vergangenen Wochenende. »Hier am Gepäckband am Flughafen Frankfurt wird Wasser für die Wartenden ausgegeben«, schreibt eine Twitter-Nutzerin am Samstagabend. »Überall stehen und fahren verwaiste Koffer rum. Die Schlange bei der Gepäckermittlung ist lang.« Schon die ganze Woche über hatte es geknirscht. »Auch wir standen am Gepäckabholband einundeinviertel Stunden«, berichtet Wolf von Wolzogen, der aus Toulouse kam, dessen Weiterflug nach Berlin storniert wurde und der die Hauptstadt schließlich mit vielen anderen Urlaubern per Zug erreichte. Bei Britta Thamm waren es mehr als zwei Stunden. »Inzwischen waren vier Maschinen auf dem Gepäckband angekündigt und immer mehr Menschen versammelten sich dort«, berichtet die Hannoveranerin. »Niemand war ansprechbar.«
Beschwerden wie diese zielen in Richtung Management. Und doch nimmt sie mancher Beschäftigte persönlich. »Wissen Sie, was wir seit Wochen am Flughafen leisten? Wie viele Stunden wir täglich machen (unbezahlt), damit der Laden am Laufen bleibt?«, fragt ein Mitarbeiter, der in der Passagierabfertigung eingesetzt ist. »Wir alle gehen nach Ostern und Pfingsten auf dem Zahnfleisch, aber geben nicht auf, damit die Menschen in den Urlaub kommen.« Wenn das trotzdem nicht reibungslos möglich sei, dann werde noch auf das Übelste geschimpft. Die Stimmung sei gereizt, die Belegschaft in der Pandemie so geschrumpft, dass die Übriggebliebenen in der Mittagspause durcharbeiteten, berichtet die Mitarbeiterin einer Fluggesellschaft. »Die Leute sind fix und fertig.« Es gebe zwar Neueinstellungen, doch denen fehle die Erfahrung.
Auch bei den Bodenverkehrsdiensten wird der Vorpandemiezustand noch lange nicht erreicht sein. Die Fraport-Tochter Fraground hatte rund 1200 befriste Arbeitsverträge nicht verlängert. Jetzt kommt es zu Neueinstellungen, doch die Sicherheitsüberprüfung dauere mindestens sechs Wochen, sagt Mathias Veneman, Fachbereichsleiter bei Verdi Hessen.
Die meisten Ehemaligen hätten sich längst eine krisensicherere und körperlich weniger anstrengende Tätigkeit gesucht - etwa als Busfahrer oder im Landschaftsbau. Der Arbeitsmarkt biete jede Menge gute Alternativen zu einem Job, in dem man 1500 Koffer am Tag wuchten müsse - im Schichtdienst. Auch habe das Image der Arbeitgeberin gelitten: »Der Flughafen hat nicht mehr dieses Flair«, sagt Veneman. »Die Wunderwelt hat Kratzer bekommen.« Die Arbeitsbedingungen müssten dringend attraktiver werden. Die Einigung könne dazu beitragen, sagt Veneman. Bislang hätten die Stundengehälter zwischen zwölf und 16 Euro gelegen, die Gehaltssteigerungen machten ein Plus zwischen 1,64 Euro und 2,74 Euro aus. »Das sind auf den Monat gerechnet zwischen 250 und 425 Euro mehr«, rechnet Veneman vor. Jutta Rippegather