Tag X im Fechenheimer Wald

Seit Tagen war mit der Räumung des besetzten Fechenheimer Waldes gerechnet worden. Am frühen Mittwochmorgen ist es so weit, der Polizeieinsatz beginnt. Wenige Stunden später sind die ersten Baumhäuser bereits Geschichte.
Es ist dunkel und kalt, als Polizisten aus ganz Hessen am frühen Mittwochmorgen rund um das Fechenheimer Waldstück im Osten von Frankfurt in Position gehen. Einige bahnen sich im Licht von Taschenlampen den Weg durch Schlamm und Unterholz in das von Klimaaktivisten besetzte Gebiet. Die seit Tagen erwartete Räumung des Protestcamps gegen den Ausbau der Autobahn 66 und den Bau des Riederwaldtunnels beginnt mit Lautsprecherdurchsagen der Polizei, den Wald freiwillig zu verlassen.
»Wir gehen erst in den Wald, wenn es hell ist«, sagt ein Polizeisprecher zur eigentlichen Räumung. In der umliegenden Sicherheitszone sind da bereits Raupenfahrzeuge im Einsatz, das Unterholz wird gelichtet und im Schein aufgebauter Lichtstrahler rollen Bagger. Brechendes Holz knackt, das Geräusch einer Säge verbindet sich mit den Lautsprecherdurchsagen, aber auch mit Rufen von Unterstützern der Aktivisten am Waldrand. »Ihr seid nicht allein!«, rufen sie.
Wenige Tage nach der Räumung im nordrhein-westfälischen Lützerath sind für den Einsatz in Frankfurt Polizisten aus allen hessischen Polizeipräsidien und der Bundespolizei zusammengezogen worden. Die Zahl der Aktivisten im Protestcamp schätzt ein Polizeisprecher auf einen »unteren zweistelligen Bereich«. Reporter hatten in den vergangenen Tagen meist gut 20 Menschen im Wald angetroffen. Provisorische Barrikaden wurden um das Camp errichtet, zwischen den Baumhäusern und Plattformen hängen Seile, in einigen von ihnen bewegen sich Aktivisten.
Je heller es wird, desto mehr Polizisten sind im Bereich des eigentlichen Camps. Ein Aktivist mit vermummtem Gesicht versichert auf einer Plattform, er werde dort ausharren, bis ihn Polizisten herunterholten. »Wir werden weiterkämpfen!«, ruft er. Der Widerstand der Waldbesetzer bleibt den ganzen Tag lang friedlich. Mit Löchern und allerlei Konstruktionen sollten Räumung und Rodung zwar erschwert werden. Es gibt lauten Protest gegen den Autobahnausbau, aber keine Gewalt.
Am Dienstagabend hatte der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel entschieden, dass die Teilrodung des Fechenheimer Waldes vorgenommen werden kann. Mit dem Beschluss des 2. Senats wurde der Eilantrag der Naturfreunde Deutschlands nach einem Aufschub abgelehnt, wie ein Gerichtssprecher mitteilte.
Die Organisation hatte ihre Forderung mit dem geschützten Eichenheldbock-Käfer begründet und methodische Mängel eines Gutachtens geltend gemacht, das eine Teilrodung genehmigte.
»Hände weg!« oder »Ich will leben!« ist in weißer Farbe an Bäume gepinselt worden. Angesichts des nasskalten Wetters der vergangenen Tage dürfte der Aufenthalt im Wald eher ungemütlich gewesen sein. »Respekt für ihre Überzeugung und den Einsatz für Klimaschutz verdienen die allemal«, sagt eine Polizistin.
Großteil des Camps geräumt
Bis in die Mittagsstunden verläuft der Einsatz ruhig und unaufgeregt. Mehrere Aktivisten werden von Polizisten aus dem Wald getragen, andere Beamte haben Rucksäcke und Taschen der Waldbewohner geschultert. Mitglieder von Spezialkräften haben sich mittlerweile selbst angeseilt, um zu den Baumhäusern und Plattformen am Rand des besetzten Gebietes zu gelangen; einige ihrer Kollegen werden mit einer Hebebühne auf Höhe eines Baumhauses gebracht. Einer der Beamten klettert von hinten in die Bretterkonstruktion. Kurz darauf fällt eine Matratze auf den Waldboden, wenig später erste Teile des Baumhauses.
Zwei der Bewohner klettern unterdessen immer weiter in die Baumkrone. »Kommt sofort zurück, ihr begebt euch in Lebensgefahr, wenn ihr noch höher klettert!«, ruft ein Polizist von unten in sein Megafon. Denn obwohl es tagelang geregnet hat, leidet auch der Fechenheimer Wald unter Trockenschäden.
Wenige Stunden später sind große Teile des Protestcamps Geschichte. Kettensägen kreischen, als die Bauten zerlegt werden. Ein Bagger rollt vorwärts und bringt dabei die vorgeneigte Dachkonstruktion eines Baumhauses endgültig zum Einsturz. Zwei Bauarbeiter tragen eine sperrige Bretterwand aus dem Wald. Man kann darauf noch einen Grafitti-Text lesen: »Lasst die Wälder leben.«
Doch in mehreren Bäumen hängen immer noch Aktivisten, einige Plattformen, auf denen teilweise Zelte stehen, sind noch intakt, auch wenn verschiedene Seilverbindungen zu anderen Bäumen gekappt wurden. Noch aber wollen die Waldbesetzer die Bäume nicht verlassen. Noch einmal wollen sie ausharren. Doch am Donnerstag wird die Räumung fortgesetzt.