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Riesenuhren in luftiger Höhe

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Uhrmacher Alexander Albrecht setzt hoch oben unter dem Dach des Hauptbahnhofs in Darmstadt einen der frisch lackierten Zeiger auf das Zifferblatt der Bahnhofsuhr. Der 61-jährige Frankfurter montiert, repariert und restauriert seit 1989 große Uhren aller Art. © DPA Deutsche Presseagentur

Armbanduhren sind für Alexander Albrecht keine Herausforderung. Statt Chronometer an einem Tisch zu reparieren, klettert er gerne mal auf Kirch- oder Bahnhofstürme. Neue Teile für die riesigen Uhren fertigt er mangels Ersatzteilen auch mal selber an.

Die Zeit ist für Alexander Albrecht fast alles. Dafür reist er auch schon mal um die halbe Welt. Albrecht denkt ohnehin eher im großen Stil. Wenn an Kirchtürmen, Bahnhöfen, Rathäusern oder Schulen die Uhren gar nicht mehr oder nicht mehr richtig ticken ist er gefragt. Die großen, teils mechanischen und historischen Zeitmesser sind sein Metier.

Der 61-jährige gebürtige Frankfurter mag die großen Uhren. »Ich habe Uhrmacher gelernt und schon in der Lehre mit den Armbanduhren gehadert«, sagt der Spezialist über seine Ausbildung in den 80er Jahren. Als kleines Kind wurde er von seinen Großeltern in die DDR geholt und dort aufgezogen. 1977 habe er dann einen Ausreiseantrag gestellt und sei im folgenden Jahr zurück in den Westen. »Die wollten mich nicht studieren lassen.«

In seinem Beruf sind die kleinen Zeitmesser nicht sein Ding. Bei den Armbanduhren müsse man sich morgens hinsetzen, bekomme nur Industrieersatzteile und meist müsse nur die Batterie gewechselt werden. Albrecht mag es da handfester. In seiner rund 100 Quadratmeter großen Werkstatt in Frankfurt dreht und fräst er seine Ersatzteile auch selber. Zudem habe er Nachlässe an Uhren aufgekauft. »Gott sei Dank habe ich jetzt einen guten Fundus.«

»Das Schöne ist, es ist kilometerweit zu sehen, dass die Uhr kaputt ist«, sagt Albrecht über die großen Gebäudeuhren. Und das fällt nicht nur dem Spezialisten auf. »Wir bekommen täglich Rückmeldungen, wenn eine Uhr stehen bleibt«, sagt etwa der Bahnhofsmanager Südhessen, Benjamin Schmidt. So auch kürzlich in Darmstadt: Mitte der Woche setzte Albrecht am Seitenportal des Hauptbahnhofes ein repariertes Uhrwerk wieder ein. Für die Arbeiten musste er aber auch auf dem Ziffernblatt mit den römischen Zahlen die Zeiger abnehmen. »Letzte Woche haben viele gefragt, warum die Zeiger weg sind«, sagt Schmidt.

»Der hat uns gefunden«, sagt Schmidt über Albrecht. Für die Bahn sei es wichtig, dass es noch Leute gebe, die das Handwerk beherrschen. Das Problem sei eine Spanne von Technik aus über 70 Jahren. »Wir können nicht alle Technik abdecken.« So habe Albrecht auch 2018 die Uhr am Wiesbadener Hauptbahnhof komplett erneuert. Eine diffizilere Aufgabe als die Darmstädter Uhr.

Doch nicht nur in Bahnhöfen arbeitet Albrecht in teils schwindelerregenden Höhen. Auch Uhren in einer Kirche in Bad Homburg oder im Ullstein-Haus in Berlin laufen dank seines Handwerks wieder rund. Wegen eines Auftrages sei er auch in Angola gewesen, in Ghana habe er in den größeren Städten die Uhren an den Postämter gemacht. Auch aus Afghanistan habe er einen Auftrag bekommen. Den habe er aber über ein dortiges Architektenbüro abgewickelt. Da war Krieg und das sei ihm zu gefährlich gewesen. »Das ist ja auch kein Hexenwerk, so eine Uhr einzubauen.«

Für seinen späteren Ruhestand hat sich Albrecht an der polnisch-ukrainischen Grenze ein Haus gebaut. Dort hat er jüngst auch seine neue Lebensgefährtin kennengelernt. »Sie wurde in Charkiw ausgebombt«, sagt der 61-Jährige über das Schicksal seiner Freundin nach dem russischen Angriff auf die Ukraine.

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