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Regierungspräsidium will Solarsatzung kippen

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Marburg (dpa). Die erst im Juni beschlossene solare Bausatzung der Stadt Marburg steht bereits wieder auf der Kippe. Das Regierungspräsidium (RP) Gießen als kommunale Aufsichtsbehörde will die von der rot-grünen Regierung der Stadt verabschiedete Satzung aufheben.

Marburg (dpa). Die erst im Juni beschlossene solare Bausatzung der Stadt Marburg steht bereits wieder auf der Kippe. Das Regierungspräsidium (RP) Gießen als kommunale Aufsichtsbehörde will die von der rot-grünen Regierung der Stadt verabschiedete Satzung aufheben. »Wir haben die Absicht, die solare Bausatzung zu beanstanden, das haben wir der Stadt Marburg bereits angekündigt, eine Entscheidung wird es in der zweiten Augusthälfte geben«, sagte ein RP-Sprecher am Montag. Die Behörde hatte bereits vor dem Beschluss der Satzung rechtliche Bedenken geäußert und sie etwa als Eingriff in die Eigentumsfreiheit kritisiert.

Sollte das RP die bundesweit einzigartige Satzung tatsächlich »einkassieren«, wovon Marburgs Bürgermeister Franz Kahle (Grüne) derzeit ausgeht, dann werden Hessens oberste Verwaltungsrichter entscheiden müssen: »Wir werden bei einer Beanstandung durch das Regierungspräsidium vor den Verwaltungsgerichtshof ziehen«, sagte Kahle. Zudem soll über die Landtagsfraktionen von SPD und Grünen eine Änderung der Hessischen Bauordnung herbeigeführt werden. »Wenn in die Bauordnung ausdrücklich reinformuliert wird, dass Kommunen solche Satzungen erlassen können, ist alles in ganz trockenen Tüchern«, sagte Kahle.

Ein Zurück gebe es nicht. »Wir sind mit unserer Satzung absolut auf dem richtigen Weg, und sowohl inhaltlich als auch juristisch von ihr überzeugt«, sagte Kahle. Ein von der Stadt in Auftrag gegebenes rechtliches Gutachten beweise, dass die Satzung nicht rechtswidrig sei. »Angesichts der Ressourcenknappheit und des Klimawandels brauchen wir einen Paradigmenwechsel, und derzeit scheint die Sonne auf die Dächer und bleibt ungenutzt«, sagte Kahle. Die explodierenden Rohstoffpreise würden mit Sicherheit auch andere Kommunen veranlassen, dem Beispiel Marburgs zu folgen. Anfragen gebe es genug.

Die rot-grüne Stadtregierung und die Linken in Marburg hatten die umstrittene und mehrmals überarbeitete solare Bausatzung im Juni mit 35 zu 24 Stimmen durchgesetzt und damit in Marburg als erster deutscher Stadt Solaranlagen zur Wassererwärmung auf Häuserdächern flächendeckend zur Pflicht gemacht. CDU, FDP und die Marburger Bürgerliste hatten dagegen gestimmt. Die Gegner kritisieren die Neuregelung vor allem als Eingriff in die Eigentumsrechte der Bürger und als Verstoß gegen die Hessische Bauordnung.

Laut Satzung gilt für die ganze Universitätsstadt mit etwa 78 000 Einwohnern vom 1. Oktober an eine Pflicht für solarthermische Anlagen - für private und gewerbliche Gebäude, für alte, die unter Denkmalschutz stehen, und für Neubauten. Die Satzung soll greifen, wenn an Gebäuden die Dächer auf einer Fläche von mehr als 20 Prozent erneuert werden, Heizungsanlagen ausgetauscht werden oder angebaut wird. Ausnahmen erlaubt die Satzung für Häuser mit Dächern, die immer im Schatten sind, oder für Kühlhäuser. Auch das Landgrafenschloss, das Rathaus und die Elisabethkirche sind von der Pflicht ausgenommen.

Die Kosten für die Solaranlagen muss der Gebäudeeigentümer tragen -für ein durchschnittliches Einfamilienhaus sind das laut Kahle mindestens 4000 bis 6000 Euro. Wer bei größeren Umbauten oder Neubauten keine Sonnenkollektoren auf dem Dach installiert, dem droht ein Bußgeld von bis zu 1000 Euro.

Vor allem an der Pflicht der Satzung hatte sich Kritik entzündet: »Diese Zwangsverpflichtung lehnen wir - unabhängig von allen juristischen Bedenken - ab, man kann als Politiker nicht alles von oben herab bestimmen«, hatte der Fraktionsvorsitzende der Marburger CDU, Philipp Stompfe, vor der Verabschiedung der Satzung gesagt. Der Fraktionsvorsitzende der CDU-Abspaltung Marburger Bürgerliste, Hermann Uchtmann, sah Marburg bereits in der »Ökodiktatur«.

Auch die hessische Eigentümerschutzgemeinschaft »Haus & Grund« kritisierte: »Angesichts höher werdender Heizöl- und Gaspreise ist es löblich, dass sich Gemeinden nach Alternativen umsehen, aber doch nicht mit Zwang und indem sie die Bußgeldkeule schwingen«, sagte Geschäftsführer Rainer Flatter. Bis zum 15. August hat die Stadt Marburg Zeit, eine Stellungnahme an das RP abzugeben. Aufgrund der Urlaubszeit wurde die übliche Frist im Anhörungsverfahren verlängert. Eine Entscheidung sei bis Ende August wahrscheinlich, sagte der RP- Sprecher.

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