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»Rechtsstaat hat funktioniert«

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Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) sagte vor dem Untersuchungsausschuss, aus seiner Sicht hätte der Mord an Walter Lübcke nicht verhindert werden können. © DPA Deutsche Presseagentur

Warum war der Mörder von Walter Lübcke nicht auf dem Schirm der Sicherheitsbehörden, als es zu der Tat kam? Dazu musste Hessens Ministerpräsident nun als Zeuge aussagen. Er gab sich betroffen - und bezog auch Stellung zu einem aufsehenerregenden Böhmermann-Leak.

Der Täter sitzt längst im Gefängnis, doch der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke wirft immer noch viele Fragen auf, auch aus Sicht des hessischen Ministerpräsidenten. »Es treibt einen um, es treibt einen sogar sehr um, es treibt mich auch bis heute um - die Frage, hätte man das verhindern können«, sagt Regierungschef Boris Rhein (CDU) im Plenarsaal des Hessischen Landtags.

Bei der jetzt schon 37. Sitzung des Untersuchungsausschusses zum Mord an Lübcke hat Rhein am Freitag in Wiesbaden gut zweieinhalb Stunden lang als Zeuge ausgesagt. Der 51-Jährige war von 2010 bis 2014 hessischer Innenminister und davor Innen-Staatssekretär - war also führend in dem Ressort tätig, das auch für den Landesverfassungsschutz zuständig ist.

Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) hatte den späteren Lübcke-Mörder Stephan Ernst lange auf dem Radar. Doch auch wenn Ernst, der Lübcke 2019 auf dessen Terrasse im Kreis Kassel erschossen hatte, als Rechtsextremist aktenkundig war: Zum Tatzeitpunkt stand er nicht mehr unter besonderer Beobachtung.

Rhein betonte im Ausschuss, der Name Ernst sei ihm erst aus der Berichterstattung über die Tat ein Begriff geworden. In seiner Zeit im Innenministerium habe es keinerlei Hinweise gegeben, dass irgendwelche Straftaten gegen den Kasseler Regierungspräsidenten geplant gewesen seien, führte Rhein weiter aus.

Im Januar 2021 verurteilte das Frankfurter Oberlandesgericht Ernst wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe und stellte die besondere Schwere der Schuld fest.

So furchtbar der Fall auch sei, der Rechtsstaat habe funktioniert, betonte Rhein - »weil er den Täter seiner gerechten Strafe zugeführt hat«. Dass Ernst innerhalb von nur zwei Wochen ermittelt und hinter Gitter gebracht worden sei, sei ein - wenn auch sehr schwacher - Trost. Rhein sagte aus, inzwischen komme er zu dem Schluss, dass »die bis heute unerklärliche und schreckliche Tat nicht hätte verhindert werden können«. Rhein betonte, ihn habe die Ermordung Lübckes tief erschüttert - er habe ein freundschaftliches und enges Verhältnis zu ihm gepflegt.

Auch der Name Jan Böhmermann fiel am Freitag häufig im Ausschuss. Der Satiriker hatte mit seinem »ZDF Magazin Royale« und der Plattform »Frag den Staat« einen Abschlussbericht zu einer Prüfung von NSU-Akten des hessischen Verfassungsschutzes geleakt. Diesen Bericht hatte Rhein in seiner damaligen Funktion als Innenminister in Auftrag gegeben. Das Landesamt hatte daraufhin eigene Dokumente zum Rechtsextremismus auf mögliche Bezüge zum NSU untersucht.

»Ich habe den Bericht aber in Folge dann nie zu Gesicht bekommen«, sagte Rhein. 2014 kam es zu einem Wechsel an der Spitze des Innenministeriums: Neuer Chef wurde dort Peter Beuth (CDU). Nach eigenen Worten wurde Rhein der Abschlussbericht erst durch die ZDF-Veröffentlichung bekannt. Er sei »erstaunt« gewesen, als das Dokument plötzlich in aller Breite in der Öffentlichkeit gewesen sei, sagte er am Freitag. Um die Akten gibt es seit Jahren Streit. Sie waren zunächst für 120 Jahre als geheim eingestuft worden, später wurde die Zeit auf 30 Jahre verringert. Schließlich stellten »Frag den Staat« und »ZDF Magazin Royale« den auf das Jahr 2014 datierten Abschlussbericht ins Internet.

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