Qualitätsoffensive auf der Schiene

Der Krieg in der Ukraine verleiht auch dem Ausbau der Bahn-Infrastruktur noch mehr Dringlichkeit. Hatten die Deutsche Bahn, der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) und das Hessische Verkehrsministerium das Intensivprogramm für die Schiene vor drei Jahren gemeinsam ins Leben gerufen, um zum Erreichen der Klimaziele beizutragen, geht es nun auch darum, aus Sicherheitsgründen unabhängiger von fossilen Energieträgern zu werden, erklärt Hessens Wirtschafts- und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir.
Der Zweck des Programms ist eine Qualitätsoffensive.
Den öffentlichen Personennahverkehr zukunftsfähig machen - das ist das Ziel des »Intensivprogramms Schiene«, das 2019 gestartet wurde. Gestern zogen die Projektpartner eine erste Bilanz - und waren sich einig: Die Qualitätsoffensive zeige Wirkung. Nur mit einem Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs sind laut Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) die Klimaziele erreichbar. »Je mehr Menschen umsteigen, desto besser für das Klima, die Luft, die Umwelt - und desto weniger Staus«, sagte der Minister. RMV-Geschäftsführer Knut Ringat nannte das Ziel, im Jahr 2030 rund 30 Prozent mehr Fahrgäste zu befördern als 2019. Das wären über eine Milliarde Fahrgäste pro Jahr im RMV. »Voraussetzung dafür ist eine leistungsfähige Schiene.«
Pro Bahn sieht große Defizite
»Es sind wirklich keine einfachen Zeiten«, sagte Al-Wazir: Corona habe die Fahrgastzahlen einbrechen lassen, der Krieg in der Ukraine lasse die Energiepreise steigen. Dennoch führe am Ausbau der Schiene kein Weg vorbei. »Wir müssen unabhängiger werden von fossilen Energieträgern, und dazu gehört auch, die Verkehrswende weiter voranzutreiben.« Das »Intensivprogramm Schiene« habe seit 2019 »unter erschwerten Bedingungen« viel bewegt, sagte Al-Wazir. Manches sei für den Fahrgast nicht sichtbar, etwa digitale Stellwerke oder neue Signale oder Weichen. Genannt wurden von den Projektpartnern ferner mehr Mitarbeiter, neuere Fahrzeuge, attraktivere Bahnhöfe, bessere Anzeigetafeln sowie der Einsatz künstlicher Intelligenz (KI): KI-Systeme sollen helfen, Verspätungen besser vorherzusagen. Der Fahrgast bekomme präzisere Informationen, der Verkehr werde pünktlicher.
Mit den Corona-Lockerungen kämen immer mehr Fahrgäste zurück, sagte DB Regio-Chef Jörg Sandvoß. »Im Schnitt liegen wir in unseren Nahverkehrszügen wieder bei 75 Prozent Nachfrage gegenüber vor Corona, in den Großstädten zum Teil deutlich darüber.« 2022 stehen in Hessen für Schienennetz und Stationen rund 1,55 Milliarden Euro zur Verfügung, sagte Gerd-Dietrich Bolte, Leiter Infrastrukturprojekte Mitte der DB Netz AG. Die bisherigen Instandhaltungsmaßnahmen zeigten Wirkung: »Trotz steigender Verkehrsmengen wurde das Störungsniveau reduziert.« Auch in schönere Bahnhöfe werde investiert, sagte Bernd Koch, Vorstandsvorsitzender DB Station&Service AG.
Der Fahrgastverband Pro Bahn übte unterdessen harsche Kritik: Die Akteure stellten »die Fakten völlig verklärend dar«. Es handle sich um nichts weiter als eine »Werbeveranstaltung«. In Wahrheit seien die Investitionen in die Schiene »katastrophal bis desaströs«. Der Ausbau geplanter Strecken werde teils Jahre später fertig als angekündigt, die Reaktivierung stillgelegter Strecken werde verschleppt, Barrierefreiheit bestehe oft nur auf dem Papier.