Problem erkannt, aber nicht behoben

Wie kann rechtsextremes Gedankengut bei der Polizei verhindert werden? Experten meinen: Das Problembewusstsein hat zugenommen. Kritiker sehen aber noch viel Raum für Verbesserung etwa bei der Aus- und Fortbildung.
Die einen tummeln sich in Chat-Gruppen, in denen rechtsextreme Inhalte geteilt werden, andere reißen während ihres Dienstes Witze etwa über Migranten und wieder andere kriegen es mit, schauen aber nicht so genau hin. Immer wieder gibt es Beispiele für rechtsextreme Haltungen bei der hessischen Polizei. In der Ausbildung von Polizistinnen und Polizisten spielt das Thema Rassismus oder Antisemitismus in den meisten Bundesländern nur eine geringe Rolle, wie der Mediendienst Integration in einer Recherche festgestellt hat. Nur in fünf Bundesländern gibt es eigene Ausbildungsmodule zu Rassismus und Antisemitismus innerhalb der Polizei wie etwa zu Racial Profiling.
Hessen gehört nicht dazu - obwohl hier schon 2018 eine Chat-Gruppe mit rechtsextremen Inhalten in einem Frankfurter Polizeirevier aufgedeckt wurde. Es blieb nicht der einzige Fall. Im vergangenen Jahr wurde nach Ermittlungen gegen 18 aktive Beamte das Frankfurter SEK aufgelöst. Eine Expertenkommission stellte später »gravierende Fehlentwicklungen« fest und empfahl Schritte, wie etwa mit Vorfällen im Kollegium umgegangen werden könne.
Wie weit rassistische oder rechtsextreme Einstellungen in der Polizei in Deutschland verbreitet sind, darüber kann bisher nur spekuliert werden. Trotz allem habe die Polizei gemerkt, dass bei dem Thema etwas getan werden müsse, sagt Polizeiforscher und Kriminologie Tobias Singelnstein von der Frankfurter Goethe-Universität. »Ich glaube schon, das was in Bewegung gekommen ist in der Polizei und dass die Organisation gemerkt hat, dass das ein Thema ist, das man nicht einfach von der Agenda bekommt und das uns noch lange begleiten wird.«
Etwa beim Thema Diversität sei bei der Polizei aber noch viel zu tun, betont der Forscher, ebenso wie bei der Aus- und Fortbildung. »Da reicht es nicht, eine Fortbildung anzubieten, zu der am Ende diejenigen hingehen, die für das Thema ohnehin schon einigermaßen sensibilisiert sind.« Das Allerwichtigste sei, dass die Polizei als Organisation sich dem Problem stelle »und die Abwehrhaltung aufgibt«.
Auch in Hessen werden Fort- und Weiterbildungen zu den Themen Rassismus oder Rechtsextremismus angeboten - der Besuch ist allerdings freiwillig, wie in den meisten Bundesländern. »Viele Beamte glauben, Rassismus heißt, Rechtsextremist zu sein. Aber dass man zum Beispiel auch diskriminierend handeln kann, ohne rassistische Einstellungen zu teilen, dass es also auch so etwas wie strukturellen Rassismus gibt - darüber gibt es bei vielen in der Polizei kein hinreichendes Wissen.«
Vielleicht reichten ein paar Fortbildungen auch nicht, sagt Eva Berendsen von der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt. »Die aktuellen Fälle zeigen, dass einzelne Maßnahmen und ein paar Fortbildungen nicht reichen, um die eklatanten Missstände bei der Polizei zu beheben. Es braucht nach wie vor einen echten Strukturwandel in der hessischen Polizei.« Doch es mangle am Willen zur Veränderung. »Der Reformeifer in der hessischen Politik bewegt sich irgendwo zwischen Schneckentempo und Stillstand.«
Polizeigewerkschaften warnen unterdessen vor Pauschalverurteilungen der Polizei. Beamte würden, gerade nach dem Bekanntwerden neuer Vorfälle, in ihrem Arbeitsalltag als »Rechte und Nazis beschimpft«, sagt Jens Mohrherr, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Hessen. »Wir kommen da in eine Schieflage.«
Einen »enormen Nachholbedarf« sieht Mohrherr aber bei der Aufklärung der Rolle von Vorgesetzten beim Verhalten Einzelner: »Vorgesetzte haben einen Auftrag, nachgeordnete Einheiten zu führen. Warum hat sich das SEK Frankfurt verselbstständigt, und wo waren die Führungskräfte? Was haben die mitbekommen beziehungsweise wieso nicht? Das muss auch mal bewertet werden.«