Puten gerissen: Biolandwirt bleibt auf Kosten sitzen – Wolfszentrum schickt keinen Gutachter
Hat ein Wolf die Puten eines Biolandwirts im Kreis Hersfeld-Rotenburg gerissen? Eine Antwort wird es darauf nicht geben. Das Wolfszentrum verweigert einen DNA-Test.
Licherode – Ob ein Wolf die zehn Puten von Biolandwirt Lars Hafermas (36) gerissen hat, die er am Montagmorgen auf seiner Weide in Licherode tot aufgefunden hat, wird für immer ungewiss sein. Denn zum Ärger des Landwirts hat das Hessische Wolfszentrum – unter dem Dach des Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) – keine DNA-Proben zur Aufklärung an den toten Tieren entnommen.
Weshalb bei gerissenen Weide- und Wildtieren DNA-Proben entnommen werden und bei Geflügeltieren nicht, kann Lars Hafermas nicht verstehen: „Ich habe am Montag mit einem Mitarbeiter des Ministeriums telefoniert und darum gebeten, dass ein Rissgutachter kommt, aber leider ohne Erfolg. Dadurch, dass der Verursacher jetzt nicht genetisch nachgewiesen werden kann, bekomme ich vom Land auch keine Entschädigungszahlungen, obwohl meine Puten von einem 1,15 Meter hohen Elektrozaun geschützt waren, der vom Ministerium als wolfssicher bezeichnet wird.“ Seine zehn Puten hätten immerhin einen Wert von rund 1000 Euro gehabt.

Sieben Kilogramm Fleisch fehlten an den zehn Puten
Hafermas geht davon aus, dass kein Fuchs, sondern ein oder mehrere Wölfe seine Puten gerissen haben müssen, da circa sieben Kilogramm Fleisch an den Puten gefehlt haben, die noch am Vorabend putzmunter gackerten. Dazu seien die restlichen rund 300 Puten in Licherode ziemlich verschreckt und verstört gewesen, als er am Montagmorgen zu den Tieren kam.
„Und das ist nicht der erste Vorfall dieser Art. Vor einem Jahr wurden zwei Puten auf meiner Weide gerissen und vor drei Jahren sogar 24 Puten in einer Nacht“, erzählt der Biolandwirt aus Heinebach, der insgesamt 1800 Puten und 17 Mutterkühe zuzüglich Nachzucht besitzt. „Finanzielle Entschädigungen hat es leider in keinem der Fälle gegeben.“
Keine Entschädigungszahlungen für Geflügelhalter vom Land vorgesehen
Auf Nachfrage unserer Zeitung beim Hessischen Wolfszentrum wird bestätigt, dass Geflügel im Rahmen des Wolfsmonitorings nicht beprobt und begutachtet wird und zurzeit auch keine Entschädigungszahlungen für Geflügelhalter vorgesehen sind. Als Grund wird genannt: „Nach den Nahrungsanalysen verschiedener Bundesländer machen Vögel einen verschwindend geringen Anteil in der Nahrung des Wolfes aus. Sie gehören nicht zum typischen Beutespektrum. Auch konnten in der Vergangenheit keine Geflügelfälle im hessischen Wolfsmonitoring bestätigt werden.“
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Der Wolf ist ein Nahrungsgeneralist, der sich in manchen Regionen dieser Welt bevorzugt von Lachsen ernährt, Tiere von Maus bis Bison erbeutet, aber auch Früchte, Aas und Haushaltsabfälle frisst. Je nach Region und Nahrungsangebot passt er seinen Speiseplan flexibel an.
Das bedeutet: Wenn er nachts an 300 frei lebenden Puten auf einer Weide vorbeizieht und Hunger hat, dann wird er diese leichte Beute liebend gern entgegennehmen – vermeintlich wolfssicherer Zaun hin oder her.
Dass laut dem Hessischen Wolfszentrum in der Vergangenheit in Hessen keine Fälle bestätigt werden konnten, bei denen Geflügeltiere von einem Wolf gerissen wurden, könnte natürlich auch daran liegen, dass das Wolfszentrum im Rahmen des Wolfsmonitorings gar keine gerissenen Geflügeltiere beprobt. Wer am Ende die Puten von Landwirt Lars Hafermas gerissen hat, wird daher wohl nicht beantwortet werden. Fakt ist jedoch, dass seit 2019 regelmäßig Wölfe in Alheim nachgewiesen wurden und es sich nicht ausschließen lässt, dass Wölfe bei Gelegenheit auch Geflügeltiere fressen.
Fakt ist auch, dass Landwirt Hafermas zum dritten Mal auf dem Schaden sitzen bleiben wird und keine Besserung in Aussicht ist. (Von Carolin Eberth)
Dass es auch ein Fuchs oder Waschbär gewesen sein könnte, der die zehn Puten gerissen hat, sei ebenfalls laut Wolfszentrum nicht auszuschließen.
Die Folgerung auf einen bestimmten Urheber anhand der Menge, die an Fleisch verwertet wurde, sei unzulässig. „In der Natur gibt es zahlreiche Beutegreifer, die Geflügel reißen können. Darunter fallen unter anderem Fuchs, Marder, Waschbär und verschiedenste Vogelarten. Des Weiteren können alle diese Beutegreifer auch mit mehreren Individuen als Nachnutzer auftreten. Dazu kommt der postmortale Fraß von Vögeln, wie Rabenkrähen, Kolkraben und Elstern. Dementsprechend kann eine sehr hohe Menge an Fleisch verwertet werden, ohne, dass ein großer Beutegreifer beteiligt ist.“ (Von Carolin Eberth)
Die Population an Wölfen hat in Nordhessen zuletzt zugenommen.
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