Politik will mehr Personal für Justiz

Die Empörung ist groß: Zuletzt werden Verdächtige aus der Untersuchungshaft entlassen. Der Grund: Zu lange Verfahren. Die Staatsanwaltschaft verdächtigt einige des versuchten Totschlags. Die Landesregierung will mit mehr Personal in der Justiz so etwas künftig verhindern.
Mit mehr Personal bei Gerichten und Staatsanwaltschaften will die hessische Landesregierung künftig weitere Aufhebungen von Haftbefehlen wegen zu langer Verfahrensdauern verhindern. Erst vor wenigen Wochen hatte das Oberlandesgericht Frankfurt die Freilassung von sechs mutmaßlichen Straftätern wegen eines zu langen Verfahrens angeordnet. Zwei Schwurgerichtskammern hätten zuvor eine Überlastung beim Präsidium des Landgerichts angezeigt, teilte Justizminister Roman Poseck (CDU) mit. Eine Weiterleitung solcher Überlastungsanzeigen an das Ministerium erfolge in aller Regel nicht, und ein Eingreifen des Ministeriums in die Geschäftsverteilung eines Gerichts würde gegen die Verfassung verstoßen.
Bei der jüngsten Aufhebung der Haftbefehle ging es in einem Fall um vier Verdächtige. Sie sollen am 3. Juli 2021 nach einem Streit versucht haben, zwei Menschen zu töten, und sie dabei lebensgefährlich verletzt haben. Nach einer Veröffentlichung des Deutschen Richterbundes sind 2021 wegen zu langer Verfahren bundesweit mindestens 66 Verdächtige aus der Untersuchungshaft entlassen worden.
Poseck: Nur die Besten einstellen
»Aus dem verfügbaren Datenbestand und den bei der Generalstaatsanwaltschaft vorhandenen Unterlagen lassen sich lediglich die Aufhebungen von Haftbefehlen wegen »überlanger Verfahrensdauer« durch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main ermitteln«, heißt es in der Mitteilung Posecks. Aber auch Amts- und Landgerichte könnten im Zuge eine Haftprüfung oder -beschwerde Haftbefehle aufheben. Diese Fälle würden statistisch nicht erfasst. Dennoch listet das Ministerium in seiner Antwort 17 Fälle von Entlassungen aus der Untersuchungshaft seit 2019 auf. Die Vorwürfe gegen die Verdächtigen: versuchter Mord, versuchter Totschlag, schwere räuberische Erpressung, gefährliche Körperverletzung und andere.
»Für den Doppelhaushalt 2023/2024 ist eine signifikante personelle Stärkung der Justiz vorgesehen. Dem Landtag wird eine hohe Anzahl zusätzlicher Stellen vorgeschlagen«, sagte Poseck. Ein Vielzahl von Maßnahmen sei bereits ergriffen worden, und die Einstellungszahlen seien in den vergangenen Jahren deutlich erhöht worden. Es sollten aber nach wie vor nur die Besten eingestellt werden. »Schwerpunkte bei der Gewinnung von neuen Richterinnen, Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten liegen auch in der Zukunft auf Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität des Referendariats in Hessen, auf umfassenden Personalgewinnungsmaßnahmen und auf Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität der hessischen Justiz.«
Die Freilassung mutmaßlicher Gewaltverbrecher aus der Untersuchungshaft wegen zu langer Verfahrensdauer sei »leider ein Skandal mit Ansage« gewesen, kritisierte die FDP-Landtagsabgeordnete Marion Schardt-Sauer. Die Überlastung der Justiz sei ein lange bekanntes Problem, das Justizminister Poseck von seiner Vorgängerin geerbt habe. Zudem sei die Überlastung der Gerichte eine von vielen Baustellen in Hessens Justiz, kritisierte sie. »Ein Beruf im öffentlichen Dienst ist unattraktiv, wenn zu wenig gezahlt wird, an Gerichten eher die Steinzeit als das digitale Zeitalter vorherrscht.«
Nach einer früheren Anfrage der FDP dauerten Strafverfahren an den hessischen Gerichten im vergangenen Jahr mehrere Monate. Wobei die Bearbeitungszeit an Amtsgerichten mit durchschnittlich 6,6 Monaten deutlich kürzer ausfiel als die an den Landgerichten mit 10,1 Monaten für erstinstanzliche Strafsachen. Das Landgericht Darmstadt war im Dezember wegen Richtermangels in die Offensive gegangen. »Angesichts der nicht ausreichenden Anzahl der dem Landgericht Darmstadt zur Verfügung stehenden Richterinnen und Richter kann die in vielen Bereichen bereits eingetretene erhebliche Verlangsamung der Rechtspflege nicht mehr durch Maßnahmen der Geschäftsverteilung abgewendet werden«, teilte das Landgericht damals mit.