Nachholbedarf bei Klassenfahrten

Gute Zahlen, neue Konzepte: Die hessischen Jugendherbergen erwachen aus dem Corona-Schlaf. Inzwischen besuchen wieder annähernd so viele Schüler die Häuser wie vor der Pandemie. Einige der Jugendherbergen profitieren zudem von einer Landesförderung.
Für die Jugendherbergen in Hessen ist der September ein guter Monat gewesen. Die Übernachtungszahlen liegen deutlich über denen des Jahres 2021. Die Schüler kehren zurück. »Wir merken, dass es bei Klassenfahrten einen großen Nachholbedarf gibt«, sagt Knut Stolle, Sprecher des hessischen Jugendherbergsverbandes. Die coronabedingte Schließung haben die Jugendherbergen verändert. »Wir haben die Zeit genutzt, um uns programmatisch und strukturell neu aufzustellen.« Auch baulich habe sich einiges getan.
Die Jugendherberge in der Wiesbadener Blücherstraße zum Beispiel ist inzwischen mit modernster Tagungs- und Videotechnik ausgestattet, »moderner als in manchem Tagungshotel«. Das Haus profitiert neben den Jugendherbergen in Limburg, Bad Homburg und Helmarshausen von einer Landesförderung. Mit dem Geld - insgesamt 165 000 Euro für die vier Herbergen - soll in Wiesbaden ein Aufzug für einen barrierefreien Zugang eingebaut werden.
Kampagne gegen Personalmangel
Größere Bauvorhaben sind zuletzt in der Jugendherberge Starkenburg bei Heppenheim umgesetzt worden. Dort wurden unter anderem Zimmer und Gemeinschaftsräume saniert. Die Jugendherberge in Marburg wird demnächst abgerissen und soll 2025 neu eröffnen. Die Jugendherberge in Wetzlar schließt Anfang des kommenden Jahres. Sie soll energetisch saniert und umgestaltet werden.
Drei Zielgruppen wollen die Häuser ansprechen: Schulklassen, Familien und Tagungsgäste. Jedes Haus setzt etwas andere Schwerpunkte. In Wiesbaden sind das unter anderem Kultur und Landespolitik.
Der Personalmangel in Gastronomie- und Beherbergungsbetrieben trifft auch das Haus in der hessischen Landeshauptstadt. Es gebe Personalengpässe - in Wiesbaden und anderswo, bestätigt Knut Stolle. Aber eine Anfang des Jahres gestartete Jobkampagne habe erste Erfolge gezeitigt: Rund 150 Personen seien neu eingestellt worden.
Das Personal wird dringend gebraucht, denn die Herbergen sind wieder gut gebucht. Nicht nur die Stammgäste kommen zurück. Der Wandel in Sachen Image und Ausstattung, der seit einigen Jahren vorangetrieben wird, und die Corona-Pandemie, in deren Folge sich Familien häufiger Urlaubsziele in Deutschland suchten, haben den Häusern neue Kundschaft erschlossen.
Sie sind moderner geworden, verfügen längst nicht mehr nur über Gemeinschaftsduschen, sondern bieten Zimmer mit Bädern oder eine große Auswahl vegetarischer und veganer Speisen. Die Jugendherberge in Büdingen ist seit April dieses Jahres die erste voll vegetarische Jugendherberge Deutschlands, und die Gäste goutierten das neue Konzept, berichtet Verbandssprecher Stolle. Die Jugendherbergen sähen sich als Bildungsstätten. »Wenn wir etwas tun, wollen wir verstanden werden.« Rund um das Thema gesunde Ernährung gibt es in Büdingen deshalb Programme, einen Kräutergarten und einen Imker, dessen Bienen den hauseigenen Honig produzieren.
»Wir stellen Betten heute auch mal nebeneinander statt übereinander.« Abgeschafft würden die Etagenbetten aber nicht. Wer oben und wer unten schläft, diese Frage mussten Generationen von Schülern klären. »Hier findet soziales Lernen statt.« Die Kinder beziehen ihr Bett selbst, räumen den Tisch ab. Sie müssen sich einigen, wer wann wie lange das Bad nutzt. Nach der Corona-Zeit falle auf, wie drängend das Bedürfnis von Kindern und Jugendlichen nach Kontakt und Austausch sei.
Preise müssen erhöht werden
Das zeigen auch die Belegungszahlen für September, die auf dem Vor-Corona-Niveau, teilweise sogar darüber liegen. Mehr als 70 000 Übernachtungen wurden in den 25 hessischen Jugendherbergen gezählt. Während im Klassenfahrtenbereich wieder Zahlen wie 2019 erreicht werden, kehren die Tagungs- und Seminargäste langsamer zurück. Nicht alle Häuser sind nach dem Lockdown geöffnet worden. Die Herbergen in Gießen, Weilburg und Zwingenberg blieben geschlossen. Für Gießen gebe es die Option, wieder zu eröffnen.
Nun droht mit Energiekrise und Inflation erneut Unsicherheit. Für das kommende Jahr müssen die Preise erhöht werden, angepasst an die Inflationsrate um etwa zehn Prozent, teilweise auch etwas mehr.