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Mutige Lösungen jenseits der Norm

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Die Schüler der Richtsbergschule in Marburg haben inzwischen alle ein iPad zur Verfügung. FOTO: SCHULE © Red

Hessens Schulen haben die Auswirkungen der Pandemie besonders stark zu spüren bekommen. Im fünften Teil unserer Serie über die Auswirkungen, die das Coronavirus auf die verschiedensten Lebensbereiche hat, berichten wir über die Erfolgsrezepte einer Gesamtschule in Marburg, die nach eigener Einschätzung gut durch die Krise gekommen ist.

Schulschließungen und Homeschooling, Lüften und Frieren, Test- und Maskenpflicht - Hessens Schüler und Lehrer hatten seit Ausbruch der Pandemie so einige Herausforderungen zu bestehen. Die Folgen sind noch längst nicht bewältigt. Viele Schülerinnen und Schüler haben mit Lernrückständen und Depressionen zu kämpfen. Das gilt auch für die Richtsberg-Gesamtschule in Marburg. »Die Schere ist weiter auseinander gegangen«, berichtet Rektor René Norwig. Gerade leistungsschwache Schüler hätten während der Homeschooling-Phase oft fast nichts zu Hause gemacht. Das zu kontrollieren und gegenzusteuern, sei schwierig gewesen. Dennoch ist der Rektor davon überzeugt, dass seine Schule »sehr gut durch die Pandemie gekommen« ist.

»Wir haben dafür gesorgt, dass alle Schüler ein iPad zur Verfügung hatten. Nach einem Elternbeschluss hätten viele Familien ein Gerät angeschafft. Wer das finanziell nicht stemmen konnte, bekam ein Leihgerät von der Schule«, erzählt Norwig. Auch eine gute Lernplattform habe der Richtsbergschule »extrem durch die Pandemie geholfen«.

»Wir haben uns aber auch bei der Organisation nicht zu sehr verrückt gemacht, weil wir schon immer das Pädagogische in den Vordergrund gestellt haben«, erläutert Norwig. »Mutige Lösungen zu finden, die auch mal außerhalb der Norm liegen, ist unser Rezept«, ergänzt er. Dabei habe das Kollegium prima mitgezogen. Seine Schule sei beispielsweise während der Pandemie zu binnendifferenziertem Unterricht im Klassenverband übergegangen. Während die Schüler normalerweise in A-, B- und C-Kurse aufgeteilt würden, seien sie in der Zeit gemeinsam unterrichtet worden. Bei den Klassenarbeiten habe es aber unterschiedliche Leistungsniveaus gegeben.

Dennoch gebe es viele Defizite aufzuarbeiten. »Jetzt ist es erst mal wichtiger, das Soziale in den Mittelpunkt zu stellen«, betont Norwig. »Viele Kinder haben Depressionen und Angst, dass sie die Leistung nicht bringen und mit den anderen nicht mithalten können.« Bei manchen gehe es noch weiter: »Sie befürchten nicht nur, dass sie den Anschluss verpasst haben. Hinzukommen auch familiäre Konflikte und Mobbing im Internet. All diese Probleme haben sich während der Corona-Zeit verschärft«, fasst der Rektor zusammen.

Lernrückstände und Versagensängste

Um all das aufarbeiten zu können, sei es wichtig, dass die Hessische Landesregierung ihre Förderprogramme wie »Löwenstark« weiterführe. »Pro Schüler ist das finanziell zwar nur ein Tropfen auf den heißen Stein«, sagt er. Wenn man sich aber auf diejenigen konzentriere, die Hilfe brauchten, dann seien etwa drei Förderstunden pro Woche in Deutsch, Mathe und Englisch viel wert. Als selbstständige Schule stocke die Richtsbergschule den Etat des Landes auf und finanziere auch Theater- und Musikprogramme. »Kultur zu erleben hilft, so manches Defizit auszugleichen«, meint Norwig und ergänzt: »Unser Auftrag ist ja nicht nur die Wissensvermittlung, sondern auch kulturelle Bildung und soziales Lernen.«

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