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Da ist Musik drin

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Frankfurt. Bei No. 2 in Sachsenhausen gibt es fast nichts, was es nicht gibt. Rund 8000 Schallplatten, 8000 CDs und an die 1700 DVDs hat Michael Baumann in seinem 120 Quadratmeter großen Laden in der Wallstraße. Nimmt man die Bestände im Keller dazu, dann kommt man rasch auf 40 000 Tonträger.

No. 2 heißt sein Geschäft, das nicht nur eines der größten für Secondhand-Schallplatten und -CDs in Süddeutschland ist, sondern mit 30 Jahren auch Frankfurts ältester bestehender Plattenladen überhaupt.

Vielleicht speichert Baumann deshalb wie eh und je, über welche Schätze er verfügt. Die Köpfe von Chef und Mitarbeiter fungieren als Festplatte. Das Gedächtnis ist analog. Wie Vinylplatten. Und ein kleines bisschen altmodisch. Wie No. 2 selbst auch. Independent, Rock, Soul, Techno, Hip-Hop, Heavy Metal, Pop, Liedermacher, Singer- und Songwriter, Klassik. Bei No. 2 gibt es Musik querbeet. Eine LP von den Scorpions steht da in den schmalen Kiefernholzregalen ebenso wie eine von Edith Piaf. Auch der King of Rock’n’Roll, Elvis Presley, blickt von einigen Platten-Covern auf die Kunden herunter.

Beim Betreten des Ladens fällt der Blick sofort auf einige wertvollere Platten. Sie stammen aus besonderen Pressungen oder von seltenen Labels. So ein limitiertes und nummeriertes Exemplar kann, wie an den handgeschriebenen Preisschildern abzulesen ist, durchaus für 120, 150 und manchmal auch 180 Euro über den Ladentisch gehen. Regeln gebe es hier keine, sagt Baumann. Es sind nicht zwingend die großen Bands, die Höchstpreise erzielen. Ein Album der niederländischen Gruppe The Crazy Mabel aus den 1970ern ist ebenso mit 150 Euro ausgepreist, wie eines der Berliner Band The Rainbows. Mit »My Baby Baby Balla Balla« hatten sie in den 1960er Jahren einen internationalen Hit.

Glück im Unglück

Eben erst habe ein Beatles-Fan bei No. 2 noch Pressungen und Auflagen von Beatles-Platten gefunden, die ihm zu seinem Sammlerglück bisher fehlten, erzählt Michael Baumann. Plattenliebhaber aber, weiß er, sammeln keineswegs nur Alben oder Interpreten nach ihrem eigenen Musikgeschmack. »Manche kommen auch und gucken, ob sie hier noch Nummern von einem bestimmten Label finden, die in ihrer Sammlung fehlen.«

Seit 30 Jahren verkauft Baumann Secondhand-Platten beziehungsweise -Tonträger. Während einige ähnliche Läden dicht machten, hat Baumann sogar einem Feuer, das 90 Prozent seines Bestandes vernichtete, ebenso wie dem zunehmenden Internet-Handel getrotzt. »Der Brand 2009 war eine Katastrophe. Ich habe dabei ein paar echte Perlen verloren. Kurze Zeit habe ich sogar überlegt, ob ich aufhören soll.« Doch Baumann hatte Glück im Unglück. Auf der Straßenseite gegenüber war ein kleiner Ladenraum frei, in den er samt Restbestand übergangsweise einziehen konnte. Außerdem schenkten ihm treue Kunden ganze Plattenkisten. Er selbst war in ganz Deutschland unterwegs, um seinen Bestand wieder aufzufüllen.

{newPage}Dass No. 2 sich seit 30 Jahren halten kann, führt Baumann nicht auf die Lage in Sachsenhausen und im aktuell so angesagten Brückenviertel zurück. Die vielen Jahre an einem Ort und natürlich die Qualität seiner Ware sei entscheidend. »Natürlich passe ich auf, dass ich Qualität ankaufe. Immer wieder sind Kunden, die sich hier Platten oder CDs ansehen, überrascht, dass sie in einem so guten Zustand sind.

« Auch dass er seinen Stammkunden immer wieder neue Ware – er bekommt sie größtenteils von Menschen, die sie ihm einzeln oder auch als Sammlung zum Kauf anbieten – präsentieren kann, sei wichtig für das Überleben von No. 2. »Die Stammkunden kommen regelmäßig. Die möchten natürlich immer wieder Neues entdecken«, erzählt er. In Frankfurt, einer Stadt, von der es in Liebhaber- und Szenekreisen heißt, sie habe eine große Dichte von Plattenläden, sei ein breites Angebot wichtig. »In Berlin gibt es einige kleine, sehr spezialisierte Läden. Manche Inhaber verkaufen auch nur das, was sie selbst gerne hören. Ich orientiere mich an dem, was nachgefragt wird.«

Neben den vielen Tonträgern finden sich auch Plattenspieler und CD-Player in der Wallstraße 15. »Manche Kunden kaufen lieber in einem Geschäft, weil sie die Ware hier ansehen und -hören können«, sagt Baumann. Dennoch: Auch er kann an den Verkaufszahlen ablesen, dass das Geschäft im Internet boomt.

Renaissance des Vinyls

Er bemerkt aber auch, dass sich seit etwa zwei Jahren jüngere Menschen für Platten interessieren. Damit meint er all die, die nicht wie die über 40-Jährigen Schallplatten noch selbstverständlich gehört und geliebt haben, CDs anfangs seltsam seelenlos fanden und inzwischen vielleicht auf MP3 umgestiegen sind.

Seinen sehr jungen Kunden gibt er dann auch schon mal eine Einführung in das Bedienen eines Schallplattenspielers. Manche Kinder, die mit ihren Eltern in den Laden kommen, fragen mit Blick auf die Plattenspieler ihre Eltern sogar, um was für ein Gerät es sich da denn handle.

Seinen Anfang nahm No. 2 zu Zeiten, als Plattenspieler noch selbstverständlich zu Stereoanlagen gehörten und Vinylscheiben mit 33 beziehungsweise 45 Umdrehungen pro Minute auf ihnen kreisten. Anfang der 1980er Jahre startete Baumann mit einem Flohmarktstand am Frankfurter Mainufer und der Idee, den Interessenten eine möglichst breite, gut sortierte und qualitativ hochwertige Auswahl zu bieten. Schnell war die Nachfrage so groß, dass er 1984 eine Ladenfläche im Wasserweg und schließlich 1993 das Domizil in der Wallstraße bezog.

Der Name No. 2 geht zum einen auf die Entstehungsgeschichte zurück – Baumann eröffnete damals mit seinem Geschäft den zweiten Secondhand-Laden für Platten in der Wallstraße. Zum anderen spielt er auf die Secondhand-Artikel an, die er verkauft.

Der 30. Geburtstag von No. 2 wird natürlich gefeiert. Am Samstag, 7. Juni, ab 16 Uhr lädt No. 2 zum großen Geburtstagsfest in die Wallstraße 15 ein. Neben zahlreichen Aktionen und Angeboten erwarten die Besucher DJ-Sets von Stella Mirabella, Piwi und frrr! & grrr! sowie Gigs vieler befreundeter Bands – darunter ein Gastspiel des jungen Frankfurter Singer-Songwriters Boo Hoo. Der Eintritt ist frei. Astrid Biesemeier, pia

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