Mittelhessischer Kultursommer: Auftakt mit »Viva Voce«
Gießen/Herborn (ik). »Wege über Land« führten Repräsentanten der regionalen Kulturszene am Freitagabend nach Herborn. Das Motto, unter dem die 19. Auflage des »Kultursommer Mittelhessen« steht, hätte nicht treffender sein können.
»Wege über Land« eröffneten vor allem denjenigen, die aus den Landkreisen Gießen, Marburg-Biedenkopf, Wetterau und Vogelsberg in den Lahn-Dill-Kreis gereist waren, einen Blick auf eine bemerkenswerte »Location«, die es verdient, bald mehr als ein »Geheimtipp« zu sein: Die »Kulturscheune« (KuSch), ein Kleinkunsttempel der ganz besonderen Art. Nach der Eröffnung der »Kultursommer«-Saison durch Dieter Schormann (Gießen), den Vorsitzenden des Trägervereines, erlebte das Publikum im ausverkauften Hause ein A-Cappella-Feuerwerk: Das fünfköpfige Ensemble »Viva Voce« aus Ansbach/Franken riss zu Begeisterungsstürmen hin.
Jung, modern und ganz ohne Instrumente: »Viva Voce« hatten die Zuhörer in der »KuSch« mit dem von ihnen entwickelten »Vox-Pop«, der besonderen Mischung aus bekannten Klassikern der Popgeschichte sowie klangvollen Eigenkompositionen, schnell auf ihrer Seite. Ihr brandaktuelles Programm »Kommando A-Cappella«, das sie nach eigenen Angaben am Freitagabend in »öffentlicher Generalprobe« erstmals vorstellten, ist am 21. Oktober in der Gießener Kongresshalle zu erleben.
»Was kann Karl-Theodor dafür, dass er so schön ist . . .«
Dass Bastian Hupfer (Tenor), David Lugert (Tenor), Mateusz Phouthavong (Bariton), Jörg Schwartzmanns (Bariton/Mouth-Percussions) und Heiko Benjes (Bass) damit eine Punktlandung hinlegten, beweisen neben dem frenetischen Beifall am Freitagabend am nächsten Tag auch Einträge im Internet-Gästebuch des Ensembles, darunter etwa: »Wir hatten mit allem gerechnet, aber nicht mit diesem Feuerwerk der Sanges-, Tanz- und Schauspielkunst. Vielen Dank für diesen unvergesslichen Abend!«
Die unglaubliche Vielseitigkeit der fünf charismatischen Sänger und eine abwechslungsreiche Performance mit einer ausgeklügelten Choreographie ließen den Abend zu einem excellenten Vergnügen werden. Das stimmliche Handwerk der Sänger - in diesem Fall wohl besser: Mundwerk - entstammt den gemeinsamen Wurzeln beim Windsbacher Knabenchor. Das merkt man den Trägern des Kulturpreises Bayern 2009 an: Sie bieten Musikgenuss auf allerhöchstem Niveau.
Schon vom ersten Song an (Robbie Williams' »Let me entertain you«) war klar, wohin die Reise geht: augenzwinkernd in Szene gesetzte, kluge Unterhatlung. Ob böse Abrechnung mit dem Vorgesetzten (»Tach, Herr Chef«), freche Aktualisierung eines Gassenhauers aus den 1930er Jahren («Was kann Karl-Theodor dafür, dass er so schön ist«), waschechte Franken-Hymne mit Elementen aus Reggae und Pop, pfiffige Verballhornung eines »Modern Talking«-Hits (»You're my heart, you're my soul«) oder ein eigentlich unmöglicher Mix aus zwei Madonna-Hits (»Like a Prayer«/ »Like a Virgin«): das waren Sternstunden der Kleinkunst. Der Bandname »Viva Voce« ist Programm: »Es lebe die Stimme«. Das wurde mit drei vom Publikum frenetisch eingeforderten Zugaben (darunter Leonard Cohens »Halleluja«) am Ende der über zweistündigen Show nochmals nachhaltig manifestiert.
Neues »MitteHessen«-Angebot: »Kulturwegweiser Mittelhessen«
Im Rahmen des »Kultursommer Mittelhessen« möchte sich die Region zwischen Vogelsberg und Limburg, Biedenkopf und Karben nun drei Monate lang kulturell von ihrer besten Seite präsentieren. Beste Seite, so unterstrich Dieter Schormann, bedeute, »dass wir Qualität gefordert haben und diesem Anspruch mit dem Programm gerecht geworden sind«. Und eine Scheune sei genau der richtige Ort. Denn: »Kultur muss gelagert und zum richtigen Zeitpunkt herausgeholt werden«, sagte Schormann. Er dankte vor allem dem zuständigen Wiesbadener Ministerium, der Sparkassen-Stiftung und der Lotteriegesellschaft für deren finanzielle Unterstützung. Dass der Auftakt in den Kultursommer gelungen sei, liege nicht nur an dem Ensemble »Viva Voce«, sondern auch an dem Ambiente der Kulturscheune. Schormann gestand den Fehler ein, in seinem bisherigen Leben »immer an Herborn nur vorbeigefahren« zu sein. Das werde sich ändern, versprach er.
Neben der Geschäftsführerin und Intendantin des »Kultursommer Mittelhessen«, Sybille Atzbach, würdigte der Vorsitzende auch das Engagement des Vereins »Herborner Heimatspiele« um dessen Vorsitzenden Jörg-Michael Simmer und Helmut Rolfes, deren Verdienst es sei, dass eine so schöne Spielstätte wie die »KuSch« existiere.
Weil »die Kultur der Pulsschlag einer Region«, Mittelhessen jedoch kein homogener Raum sei, sei inzwischen das interaktive Portal www.kulturwegweiser-mittelhessen.de freigeschaltet, erklärte Regionalmanager Jens Ihle (Verein Mitte Hessen), und: »Wir kommunizieren Mittelhessen in die Welt!«
In dem Online- Kulturwegweiser finden sich Veranstaltungen und Kulturorte aus den fünf mittelhessischen Landkreisen übersichtlich und informativ.
Er wird von der Europäischen Union aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung kofinanziert.