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Internet in den eigenen vier Wänden gehört für viele zum Wohnen dazu. In hessischen Alten- und Pflegeheimen sind Router im eigenen Zimmer aber rar gesät. ARNE DEDERT/DPA © Red

Frankfurt - Nur wenige Senioren in hessischen Pflegeheimen haben in ihrem eigenen Zimmer einen Internetanschluss. »Es gibt keine Entschuldigung dafür, dass die Situation im Jahr 2022 so aussieht«, kritisiert David Kröll vom Pflegeschutzbund BIVA. Die Träger hätten den WLAN-Ausbau vernachlässigt. Hessische Betreiber haben verschiedene Erklärungen dafür.

Die Agentur für Kunden- und Personalmarketing in der Pflegebranche, Pflegemarkt.com, veröffentlichte Ende Juni 2022 Daten zur Internetverfügbarkeit in deutschen Pflegeheimen. Demnach machten knapp ein Drittel der 8722 vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung geprüften Heime Angaben zum Thema. Von diesen 2683 Einrichtungen erklärten 44 Prozent, bei ihnen gebe es keinen Internetzugang für die Bewohner.

In Hessen fordert die Ausführungsverordnung zum Gesetz über Betreuungs- und Pflegeleistungen in Pflegeheimen einen Internetanschluss an jedem Wohnplatz - sofern technisch möglich. Außerdem soll kabelloses Internet überall in der Einrichtung nutzbar sein, an dem sich Bewohner aufhalten, betreut oder gepflegt werden. Allerdings gelte das nur für Gebäude, deren Baugenehmigung 2019 oder später beantragt wurde, erklärt Thorsten Haas, Sprecher des Regierungspräsidiums Darmstadt. Häuser, die vor 2018 im Betrieb waren, seien ausgenommen. Auf zahlreichen Alten- und Pflegeheimen in Hessen lastet somit kein rechtlicher Druck, das Internet auszubauen. »Die meisten unserer Einrichtungen verfügen über Gebäudebestand aus den 70er, 80er und 90er Jahren«, erläutert Dagmar Jung, Leiterin der Abteilung Gesundheit, Alter, Pflege der Diakonie in Hessen.

Die Diakonie biete in ihren 140 hessischen Pflegeheimen Computerplätze für die Bewohner an. Ein eigener Internetzugang im Zimmer »ist eine große Ausnahme«, erklärt Jung. WLAN in allen Zimmern zu installieren, sei gerade in alten Gebäuden »technisch aufwendig und teuer«.

Der WLAN-Ausbau stehe auf der To-do-Liste der Caritas in Hessen. »Das wird noch ein großer Aufwand«, sagt Brigitte Lerch, Referentin für Alten- und Gesundheitshilfe. Jede der mehr als 60 Einrichtungen verfüge über WLAN - meistens in Gemeinschaftsräumen.

Die Bewohner der 21 Häuser, die die AWO in Südhessen betreibt, haben alle Zugang zum Internet - entweder im eigenen Zimmer oder an einer zentralen Stelle. Die AWO Nordhessen bietet den Bewohnern in 21 von 30 Häusern Zugang zum Internet an. Zwei davon hätten Anschlussdosen in den Zimmern, in 19 der Einrichtungen laufe die Verbindung über WLAN. Man wolle nachrüsten, aber mit der Corona-Pandemie sei der Ausbau ins Stocken geraten - ausgerechnet in einer Zeit, in der Besuche in den Einrichtungen nicht möglich waren.

Senioren stehen mitten im Leben

Dabei habe die Corona-Pandemie einen Digitalisierungsschub in den Pflegeheimen ausgelöst, berichtet Brigitte Lerch. Die Bewohner hätten öfter per Videoschalte mit ihrer Familie gesprochen, erklärt auch Prellwitz vom DRK. Und mit neuen Generationen in den Häusern werde der Internetausbau zunehmend forciert. Die AWO Nordhessen beobachtet, dass immer mehr Menschen beim Einzug in die Pflegeheime Smartphones und Tablets mitbringen. Nicola Röhricht von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) betont: »Man muss begreifen: Menschen, die jetzt ins Altenheim kommen, stehen mitten im Leben und möchten teilhaben.« Lea Marie Kläsener

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