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Missstände bei Steuergewerkschaft

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Im Landesverband Hessen der Deutschen Steuergewerkschaft rumort es. Es soll Unregelmäßigkeiten bei Aufwandsentschädigungen, Fahrtkostenabrechnungen und der Angabe von Mitgliederzahlen gegeben haben. Auch um eine Geburtstagsparty im Gießener Finanzamt geht es. Im Zentrum der Vorwürfe steht der Landesvorsitzende Michael Volz.

Ein teurer Geburtstagsempfang für den Landesvorsitzenden, fragwürdige Aufwandsentschädigungen und Fahrtkosten, Widersprüche bei der Angabe von Mitgliederzahlen und Intransparenz bei Entscheidungen - diese und andere Missstände soll es in den vergangenen Jahren im Landesverband Hessen der Deutschen Steuergewerkschaft (DSTG) gegeben haben. Nach einer Strafanzeige gehen Polizei und Staatsanwaltschaft nach Informationen der »Frankfurter Rundschau« Hinweisen auf Unregelmäßigkeiten - offenbar wird der Vorwurf der Untreue geprüft - zwischen 2016 und 2019 nach. Damals, vor dem Umzug nach Gelnhausen, hatte der Landesverband seinen Sitz in Frankfurt, weshalb die dortigen Ermittlungsbehörden zuständig sind. Nadja Niesen, Sprecherin der Staatsanwaltschaft, bestätigt auf Anfrage, dass die Anzeige vorliege.

Im Zentrum steht der Vorsitzende des Landesverbandes, Michael Volz, der den Ton angebe und die Spitze dominiere. Es gibt aber auch Kritik an weiteren führenden Mitgliedern, etwa der Geschäftsführung und den Vizevorsitzenden, die die »kleine Landesleitung« bilden. Sie, so ein Vorwurf, seien nicht gegen Missstände vorgegangen. Für die Feier zum 50. Geburtstag des Vorsitzenden im Jahr 2019 sollen mehr als 10 000 Euro ausgegeben worden sein, aus Gewerkschaftsmitteln. Viel zu viel, sagen die Kritiker, auch wenn es sich um einen gewerkschaftlichen Empfang gehandelt habe, bei dem auch DSTG-Ortsverbandsvorsitzende und Gesprächspartner aus Oberfinanzdirektion und Landtag zu den Gästen zählten.

800 Euro für Ehrenamt

Der »Frankfurter Rundschau« liegt eine Rechnung für eine »Tagungspauschale für 155 Personen inkl. Dekoration« des Restaurants vor, der Steinauer »Brathähnchen Farm«, über 9400 Euro. Hinzukamen circa 500 Euro für einen Film, der von der Veranstaltung gedreht wurde, und mehr als 300 Euro für Musik. Merkwürdig ist ein handschriftlicher Vermerk von Volz, der eine Zahlung sowie eine Buchung unter »Streik-/Aktionskosten« anweist.

Moniert werden auch die Aufwandsentschädigungen für die ehrenamtliche Gewerkschaftstätigkeit. Bei Volz soll sich diese monatlich auf etwa 800 Euro summieren, wobei noch Steuern und Abgaben hinzukämen. Geschäftsführung und stellvertretende Vorsitzende erhielten 200 beziehungsweise 150 Euro. Ein weiterer Kritikpunkt sind die Fahrtkostenabrechnungen des Vorsitzenden. Mit 45 Cent pro Kilometer erhält er eine 15 Cent höhere Pauschale als andere Mitglieder der Landesleitung.

Mitgliedsbeiträge erhöht

Weitere Fragen werfen Aussagen zur Angabe der Mitgliederzahlen auf. Diese sind auch deshalb wichtig, weil von ihnen abhängt, wie viel von den Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen an den Bundesverband sowie den Deutschen Beamtenbund abgeführt werden müssen. Der Landesvorsitzende soll dafür verantwortlich sein, dass sie einmal nach unten korrigiert worden seien, um weniger zu zahlen. Der Umzug des Landesverbandes von Frankfurt nach Gelnhausen ist ebenfalls umstritten: Volz und anderen soll er Vorteile, etwa einen kürzeren Weg zur Arbeit, gebracht haben, nicht aber der Gewerkschaft.

Der Landeshauptvorstand wollte sich zu den Vorwürfen nicht äußern und verwies auf die laufenden Ermittlungen. Die demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien seien »oberste Leitlinie unseres gewerkschaftlichen Handelns«, heißt es in der Antwort des Gremiums.

Nach Bekanntwerden der ersten Vorwürfe kamen bald neue hinzu. So bezuschusste die DSTG eine Geburtstagsfeier der Vizelandesvorsitzenden Sonja Waldschmidt im Finanzamt Gießen mit rund 2500 Euro. Das belegen Unterlagen, die die »FR« ausgewertet hat. Insider üben Kritik: Es sei nicht Aufgabe der Gewerkschaft, so viel Geld für ein Fest auszugeben, das kaum ihren Interessen diene.

Gleiches gelte für mehrere Tagungen mit Übernachtung in der »Brathähnchenfarm«, an denen um die 14 Personen, darunter Vorstandsmitglieder, teilgenommen haben. Die Rechnungen belaufen sich auf etwa 3360 und 3116 Euro, wobei jeweils mehrere Hundert Euro für Alkohol ausgegeben wurden, etwa 396 Euro für sechs Flaschen Wein und 160 Euro für Spirituosen (»Sonderpreis«) laut einer Rechnung vom 24. April 2018. Dies sei nur ein Beispiel für Verschwendung, das bei der Prüfung der Etats nicht hinterfragt worden sei. Skandalös seien solche Ausgaben auch deshalb, weil der Mitgliedsbeitrag erhöht worden sei.

Zusätzliche Fragen werfen von Volz handschriftlich verfasste Fahrtkostenabrechnungen auf. Die Angaben sind teils vage (»Gespräch in…), und er hat sich das Geld in der Regel etwa eine Woche im Voraus und bar auszahlen lassen. Volz bekommt als einziges Vorstandsmitglied 45 Cent pro Kilometer.

Darüber hinaus soll er bei einem Teil der Fahrten nicht den kürzesten Weg von seinem Wohnort Birstein genommen, sondern einen Umweg - insgesamt circa 40 Kilometer zusätzlich pro Hin- und Rückfahrt - zum früheren DSTG-Sitz in Frankfurt abgerechnet haben. Dies trage zu teils vierstelligen Summen pro Monat bei, die an ihn gingen und einen großen Teil der gesamten Fahrtkosten ausmachten. 2010 waren es mehr als 80 Prozent der gefahrenen Kilometer der Landesleitung.

Vorstandsmitglieder treten zurück

Der Finanzbeamte Volz, der als Personalrat voll freigestellt ist, ist nicht nur Vorsitzender der DSTG Hessen, sondern auch im Landesvorstand des Deutschen Beamtenbunds (DBB), Vizebundesvorsitzender der DSTG, im Bundeshauptvorstand des DBB, im Rundfunkrat des Hessischen Rundfunks sowie für die Birsteiner SPD und im Verein aktiv.

In der Gewerkschaft schlagen die Wellen hoch. Mitglieder treten infolge der Vorgänge aus. Geschäftsführerin Julia Hott, der stellvertretende Landesvorsitzende Joachim Laux, die Landesjugendleiter Anna Beck und Michael Köhler und Pressereferent Schopbach haben ihre Ämter zur Verfügung gestellt: Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit sei innerhalb der DSTG-Landesleitung - zu der neben Vorsitzenden und Geschäftsführung etwa noch Schatzmeister zählen - nicht mehr vorstellbar, teilen sie mit.

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