Kultur bleibt Herausforderung

Konzerte, Kabarett und Lesungen - die Veranstaltungskalender vieler Kulturzentren sind wieder voll, doch das Publikum zieht nach zwei Corona-Jahren noch nicht wieder richtig mit. Wann kommt die Kultur wieder in Fahrt?
Nach zwei Pandemie-Jahren würde die hessische Konzert- und Veranstaltungswirtschaft gern wieder durchstarten - doch die Krise ist noch nicht ausgestanden. Noch immer häufen sich Absagen von Konzerten und Co, und der Ticket-Vorverkauf läuft teils nur schleppend. Der Trend beim Publikum, sich nicht festlegen zu wollen, habe sich durch Corona deutlich verstärkt, sagt Sabine Glinke, die als Dienstleisterin für die Veranstaltungswirtschaft in der Branche gut vernetzt ist.
Das bekomme auch das KFZ in Marburg zu spüren. Die Ticketverkäufe blieben derzeit weit hinter den Erwartungen zurück, sagt eine Sprecherin des Kulturzentrums. Gut besucht seien nur die Tanzpartys für das junge Publikum. Bei Nachholveranstaltungen komme es häufig vor, dass Teile der Zuschauer, die eigentlich Karten haben, fern blieben. Neben Sorgen vor Ansteckungsrisiken dürften manche Kartenkäufer nach zahlreichen Verschiebungen schlicht den Überblick verloren haben, wann ihr Event nachgeholt wird.
Veranstalter hoffen auf den Sommer
Die KFZ-Sprecherin hoffe, dass sich alles im Laufe des Sommers wieder normalisiert - auch weil vieles dann im Freien stattfinde. Vorerst bleibt es bei organisatorischen Herausforderungen: So müssen Konzerte wegen Corona-Erkrankungen teils sehr kurzfristig gestrichen werden. Kürzlich habe man eine Band wegen drei positiver Corona-Tests direkt vor dem Auftritt wieder wegschicken müssen.
Ein gemischtes Bild bei der Ticketnachfrage sieht auch Meike Heinigk, Geschäftsführerin der Centralstation in Darmstadt. Nach zwei Jahren Zwangspause findet über Pfingsten, 2. bis 5. Juni, wieder das Schlossgrabenfest statt - bis zur Pandemie eines der größten Musikfestivals in Hessen. Während sich klassische Kulturveranstaltungen zögerlicher verkauften als vor Corona, hätten auch hier die Partys für das junge Publikum wieder viel Zulauf, sagt Heinigk. »Über die Ursachen kann man nur mutmaßen: Das etwas ältere Veranstaltungspublikum ist womöglich noch vorsichtig oder hat sich seinen Alltag in den vergangenen zwei Jahren anders eingerichtet, andere Freizeitbeschäftigungen gefunden.«
Auch das weltpolitische Geschehen, eine allgemeine gesellschaftliche Verunsicherung und die hohe Inflation könnten Gründe für verhaltenen Ticketabsatz bei bestimmten Zielgruppen sein. Junge Leute hingegen hätten in einer wichtigen Lebensphase auf vieles verzichten müssen, sagt Heinigk. »Hier sehen wir ganz deutlich einen Nachholbedarf, den wir mit Kinder- und Jugendveranstaltungen sowie unseren Partys bedienen können.«
Viele Termine, wenig Mitarbeiter
Zu schaffen macht den Anbietern zudem die Personalnot. Weil drinnen lange keine Events möglich waren, mussten viele Beschäftigte notgedrungen umsatteln - vom Tontechniker bis zum Service-Mitarbeiter an der Theke oder im Catering. Sie fehlten jetzt an allen Ecken und Enden. Selbst ehrenamtliche Helfer seien noch schwerer zu finden, als vor Corona, sagt Glinke. Auch Heinigk berichtet von Engpässen, insbesondere im Bereich der Veranstaltungstechnik. »Viele der freien Techniker, die wir dazubuchen müssen, haben sich in den vergangenen zwei Jahren neu aufstellen müssen. Auch unser Gastronom muss neue Mitarbeiter finden, hinzukommt überall eine erhöhter Krankenstand.«
Die Situation habe auch die Veranstalter des Musicals »Robin Hood« ins Schwitzen gebracht. Von einer »Drucksituation« spricht der Geschäftsführer der Fuldaer Produktionsfirma Spotlight Musicals, Peter Scholz. Nach einer Reihe von Previews feiert das Stück am 3. Juni in Fulda Premiere - nachdem es in den beiden Vorjahren verschoben werden musste.
Dass jetzt viele solcher teils mehrmals verschobene Veranstaltungen nachgeholt werden, macht die Lage am Markt nicht leichter. Die Terminkalender sind randvoll. Das führe mancherorts zu einem Überangebot, wie es in der Branche heißt. »Derzeit arbeiten wir zahlreiche Veranstaltungen ab, die bereits vor langer Zeit gebucht wurden. Neue Themen kommen dazu, internationale Acts gibt es kaum. Diese Situation entspannt sich frühestens 2023«, sagt Heinigk.
Die Landesarbeitsgemeinschaft der Kulturinitiativen und soziokulturellen Zentren Hessen, kurz LAKS, hat die Probleme im Blick. Nach den zwei Pandemie-Jahren tasteten sich viele Besucher erst einmal vorsichtig wieder heran, sagt der Leiter Finanzen, Jan Siebert. Ob es ein Zurück zur Normalität wie vor der Pandemie gebe, sei noch unklar. Vor allem dürfte das mit der Entwicklung des Coronavirus zu tun haben, das derzeit noch bei vielen für Verunsicherung sorge. Die kulturellen Einrichtungen seien dank Fördermitteln relativ gut durch die Pandemie gekommen - härter habe es dagegen viele Künstler getroffen. Angesichts der Personalknappheit sei der Neustart eine große Herausforderung.