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Kirche an besonderem Ort

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Ökumene pur: Die evangelische Pastorin Bettina Klünemann und der katholische Priester Edward Fröhling stehen gemeinsam unter einer Anzeigetafel im Abflugbereich des Frankfurter Flughafens. © DPA Deutsche Presseagentur

Die ökumenische Flughafenseelsorge am Frankfurter Flughafen feiert ihr 50-jähriges Bestehen. Die Seelsorger sind für die Mitarbeitenden am Flughafen, gestrandete Passagiere und geflüchtete Menschen da.

Wenn bei Pater Edward Fröhling von der katholischen Seelsorge am Frankfurter Flughafen das Telefon klingelt, muss es manchmal ganz schnell gehen. Mal braucht die Bundespolizei die Flughafenseelsorge, mal bittet eine Airline um Unterstützung, etwa für gestrandete Passagiere oder psychisch auffällige Menschen. »Es ist schon vorgekommen, dass jemand ohne Papiere und Geld am Schalter der Lufthansa stand, aber unbedingt in die USA fliegen wollte und völlig aufgelöst war«, erzählt Fröhling, der dem Pallottiner-Orden angehört.

Für Reisende und Mitarbeitende da

Gekleidet mit einer auffälligen gelben Weste, legt der Pater täglich bis zu sechs Kilometer auf den langen Gängen der Frankfurter Airport-Terminals zurück. Er und die evangelische Pfarrerin Bettina Klünemann sind das Gesicht der ökumenisch arbeitenden Flughafenseelsorge, die dieses Jahr ihr 50-jähriges Bestehen feiert. Die Seelsorger sind für Mitarbeitende und Reisende am Flughafen da, haben ein offenes Ohr und bieten Gottesdienste, Reisesegen an, manchmal auch Trauerfeiern. Auch praktische Hilfe bei Ein- und Ausreiseschwierigkeiten gehört zur Tätigkeit der Flughafenseelsorger.

Während Fröhling im vergangenen Jahr eher zufällig zur Stelle am Flughafen kam, hat sich Klünemann ganz bewusst auf die Stelle beworben, die sie seit Oktober 2018 innehat. Die Betriebsseelsorge und der Ort Flughafen hätten sie gereizt, sagt sie: »Es entspricht dem, wie ich mir Kirche vorstelle, mittendrin sein, da, wo gearbeitet und gelebt wird.«

Es gibt feste Gottesdienstzeiten am Flughafen, ähnlich wie in einer Kirchengemeinde. Aber jeder Tag sei anders, so Klünemann. In ihren vier Jahren bei der Flughafenseelsorge hat sie bereits drei komplett verschiedene Phasen erlebt: 2019 habe es »noch richtig geboomt« am Flughafen, dann kamen erst Corona und zuletzt hinterließ der russische Angriffskrieg in der Ukraine Spuren auch für die Arbeit des Seelsorgeteams.

In der ersten Lockdown-Phase arbeiteten die Flughafenseelsorger nur noch im Transit. »Die Grenzen waren zu, selbst innerhalb Europas, und die Menschen saßen alle im Transit fest«, erinnert sich Klünemann. Eine Frau aus Madagaskar etwa sei drei Wochen lang am Flughafen gestrandet und habe eine Weile in den Räumen der Seelsorge gewohnt, weil aufgrund der Corona-Beschränkungen keine andere Unterbringung gefunden werden konnte. »Die Frau hat zuvor im Disneyland in Paris gearbeitet und mit dem Geld ihre Familie in Madagaskar versorgt. Als der Freizeitpark wegen Corona geschlossen werden musste, wollte die Frau unbedingt zu ihren Kindern zurück nach Madagaskar. Aber die Grenzen waren dicht und es gab keine Flüge«, berichtet Klünemann.

Menschliche Dramen erlebten die Flughafenseelsorger auch nach dem Beginn des Kriegs in der Ukraine - etwa im Fall einer 72-Jährigen aus der Ukraine. Die Frau habe im März vor einem Lufthansa-Schalter gestanden und gedacht, dass sie mit ihrem ukrainischen Pass direkt nach Kanada zu ihrer Familie fliegen könne. »Das war ein Schock, als das nicht ging«, erinnert sich die Pfarrerin. »Am 22. April haben wir das Visum beantragt.« Erst am 10. August habe die Frau die Reise antreten können.

Ehrenamtliche sind ein Riesenschatz

Die Seelsorge ist nur ein Teil eines größeren Netzwerks der Kirchen am Flughafen. Dazu gehört auch der kirchliche Flüchtlingsdienst, der direkt an der Erstaufnahmestelle am Flughafen angesiedelt ist. Eine evangelische Pfarrerin, ein katholischer Priester und zwei Asylverfahrensberater von Diakonie und Caritas bieten Beratung und Seelsorge für Menschen, die in Deutschland Asyl suchen und vorerst nicht einreisen dürfen. Auch mit der Sozialarbeit für wohnungslose Menschen am Flughafen sowie mit der Abschiebebeobachtung arbeitet das Seelsorgeteam zusammen.

Fröhling schätzt am Arbeitsplatz Flughafen zudem die interreligiöse Zusammenarbeit. Auch wenn es nicht wie am Londoner Flughafen Heathrow eine Tradition der Religionen übergreifenden Seelsorge gebe, finde sie im Alltag doch statt, betont er. Denn es gibt auch Gebetsräume für Juden und Jüdinnen sowie Muslime und Musliminnen, wie eine Fraport-Sprecherin berichtet. Seit Sommer 2017 existiere zudem ein Raum der Stille im Terminal 1.

Die Arbeit der Seelsorger wird unterstützt durch 20 bis 30 Ehrenamtliche. »Ein Riesenschatz, auch was die Sprachen angeht, weil wir viele Muttersprachler haben«, sagt Klünemann. »Die Menschen sind sofort entlastet, wenn sie jemanden haben, mit dem sie in der eigenen Sprache sprechen können.«

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