Jahrzehnt des Nachholens im vernachlässigten Schienennetz

Frankfurt - Wartezeiten wegen ICE-Überholungen, defekte Weichen - und immer wieder Betriebsstörung im Tunnel unter der Frankfurter City: Das Schienennetz in Rhein-Main ächzt unter den Anforderungen der Metropolregion. Die Kapazitäten reichen seit Jahren nicht, um in den Hauptverkehrszeiten die erforderliche Qualität zu erbringen. Die Folge sind Verspätungen und volle Züge, denn für weiteren Verkehr auf der Schiene ist kein Platz.
Erst recht nicht auf den zwei S-Bahn-Gleisen unter dem Innenstadttunnel. Ein Jahrzehnt wurde geredet und gestritten, ein Jahrzehnt wurde geplant und prozessiert. Jetzt wird gebaut. So lässt sich die Geschichte des Schienennahverkehrs in der Metropolregion grob zusammenfassen. Vor knapp 20 Jahren gingen nach langer Planungszeit die S-Bahn-Linien nach Dietzenbach und Rödermark-Ober-Roden in Betrieb. Danach tat sich nichts mehr. Und dann das: Nach einer Rekordbauzeit von knapp vier Jahren ging 2019 die S-Bahn-Anbindung des neuen Flughafen-Stadtteils Gateway Gardens ans Netz. Die Strecke berührt keine Wohngebiete. Deshalb gab es keine Anlieger, die sich gegen das Vorhaben wehrten. Diesen Widerstand gab es umso mehr gegen den Bau eigener S-Bahn-Gleise für die stark befahrene Main-Weser-Strecke zwischen Frankfurt-West und Friedberg. Jahre wurde darum gerungen, bis im Dezember 2017 der Spatenstich für den ersten Bauabschnitt bis Bad Vilbel erfolgte. Ende nächsten Jahres soll auf diesem Abschnitt die S-Bahn auf eigenen Gleisen fahren können. Mit der Nordmainischen S-Bahn rückt ein weiteres lang diskutiertes Vorhaben in greifbare Nähe. Die Vorarbeiten haben begonnen. Außerdem in Arbeit: Eine Machbarkeitsstudie für den Fernbahntunnel in Frankfurt. Plötzlich geht es voran beim Schienenverkehr. Die Grünen im Landtag reklamieren die Fortschritte für sich. »Mit dem Beginn grüner Regierungsbeteiligung 2014 wurden zuvor vernachlässigte Planungen für den Ausbau der Schiene aus der Schublade geholt und neue Ideen auf den Weg gebracht«, teilte die verkehrspolitische Sprecherin Karin Müller anlässlich des Spatenstichs zur Regionaltangente West mit. Das »Megaprojekt« sei nur ein Anfang. »Wir machen uns mit den Kommunen auf den Weg zu einer echten Ringbahn um Frankfurt.« SPD und FDP hingegen wollen mehr Tempo. Sie fordern eine landeseigene Schieneninfrastrukturgesellschaft, die den Ausbau von Bahnstrecken sowie die Reaktivierung stillgelegter Trassen forciert. Jutta Rippegather