Individueller Abschied

Allerheiligen, Allerseelen, Volkstrauertag, Totensonntag: Der November ist geprägt durch das Erinnern an die Verstorbenen. Da rücken Friedhöfe besonders ins Blickfeld der Menschen, die an den Gräbern ihrer verstorbenen Angehörigen oder der Opfer von Kriegen und Gewaltherrschaft gedenken. Doch wie so vieles, hat sich auch die Bestattungskultur in den vergangenen Jahren geändert.
Der würdige Abschied von einem geliebten Menschen ist in jeder Kultur - und damit auch in der christlich geprägten - mit rituellen Handlungen verbunden: die Trauerfeier im Kreise der Verwandten und Freunde, die Erinnerung an das Leben des Verstorbenen, die tröstenden Worte des Pfarrers oder Trauerredners, das Vaterunser am offenen Grab, die Blume oder die Handvoll Erde auf dem Sarg, der abschließende Leichenschmaus. Diese Rituale helfen auch ein Stück weit, mit dem Tod umzugehen, ihn zu verarbeiten. Doch die klassische Erdbestattung ist nicht mehr die bestimmende Form.
»Die Bestattungskultur hat sich geändert«, sagt Dominik Kracheletz, Vorsitzender des Bestatterverbands Hessen mit Sitz in Kassel. »Die Leute wollen heute Trauer und Abschied individueller gestalten.« Daher habe sich die Vielfalt der Beisetzungsformen erhöht, wie sich auch schon vor vielen Jahren beim Trend zu Urnenbestattungen zeigte.
Das bestätigt auch Patric Stromberg vom hessenweit tätigen Bestattungshaus Stromberg mit Standorten unter anderem in Gießen, Wetzlar und Hüttenberg. Die Kunden seien offener geworden gegenüber den unterschiedlichen Bestattungsmöglichkeiten. Früher seien es oft Ehefrau oder Ehemann gewesen, die sich um die Abwicklung gekümmert hätten, heute würden auch Kinder und Enkel mitentscheiden. Und die fragen schon mal: »Muss das alles so sein wie immer?«
Bestattungswälder und Rasengräber
Dabei rückten beispielsweise schon vor Jahren Bestattungswälder ins Blickfeld. »Da gibt es einen extremen Zulauf«, berichtet Stromberg aus seiner Erfahrung. Mittlerweile gebe es diese Möglichkeit ja im Umkreis von zehn bis 15 Kilometern um jeden Wohnort. Und nicht nur die Angehörigen würden sich oft bewusst für diese Bestattungsform entscheiden.
Und das nicht nur, weil die Grabgestaltung quasi entfällt, sondern auch, »weil es ehrliche Besuche sind, die nicht aus Pflegepflicht geschehen«. Dieser Trend wird sich seiner Meinung nach fortsetzen, die herkömmlichen Friedhöfe würden leerer. Da reiche es eben nicht, wenn Kommunen dort einfach nur ein paar Bäume pflanzten.
»Das Konzept der Bestattungswälder ist gut, aber die praktische Umsetzung nicht immer einfach«, meint dagegen Kracheletz. Für Hinterbliebene, die zum Beispiel auf einen Rollator angewiesen sind, sei es schwierig, zur Grabstätte zu kommen, gibt er zu bedenken. Umso mehr, wenn die Kinder nicht mehr in der Nähe sind und der öffentliche Nahverkehr zu wünschen übrig lässt. Das gelte auch für den Besuch im Winter.
Kracheletz sieht einen weiteren Trend, der »überproportional« zunimmt: Rasengräber auf Friedhöfen. Diese sind sowohl für Sarg- wie auch für Urnenbeisetzungen geeignet. Die Erreichbarkeit sei sehr viel einfacher, und man könne im Zweifelsfall auch seinen eigenen Baum darauf pflanzen. »Die Kommunen und Friedhofsverwaltungen haben kapiert, dass es wichtig ist, pflegeleichte Gräber anzubieten«, stellt der Verbandsvorsitzende fest. Allerdings gibt Stromberg dabei zu bedenken, dass Hinterbliebene sich nicht immer mit der bodengleichen Namensplatte begnügten, sondern die Gräber trotzdem individuell gestalteten, was vielerorts bei dieser Bestattungsform nicht vorgesehen ist: »Das ist dann oft nichts Halbes und nichts Ganzes, da kriegen Sie Gänsehaut.« Je nach örtlicher Regelung ist allerdings außer der eingelassenen Grabplatte auch das Errichten eines Grabsteins möglich.
Eindeutig geht die Zahl der Erdbestattungen mit Sarg seit Jahren zurück. Hier hat die Urnenbeisetzung ganz klar die Position eins errungen. »70 Prozent Urnen-, 30 Prozent klassische Erdbestattung«, nennt Kracheletz Zahlen. Dies deckt sich auch mit Strombergs Erfahrung, wobei es aber auch regionale Unterschiede gebe. Und die klassische Erdbestattung sei immer noch ortsüblich, wenn der Tote alleinstehend war und keine ausdrückliche schriftliche Weisung für seine Beerdigung hinterlassen habe.
Dagegen haben Angehörige das letzte Entscheidungsrecht (für eine Feuerbestattung), auch wenn die Beisetzung dem mündlich einmal geäußerten aber schriftlich nicht niedergelegten Willen des Verstorbenen (Erdbestattung) zuwiderläuft.
Trauerkaffees in kleiner Runde
Bleibt die alte Tradition des Trauerkaffees nach der Beerdigung. In manchen Todesanzeigen ist zu lesen: » gehen wir nach der Beisetzung in aller Stille auseinander.« Soll heißen: Es gibt keinen Leichenschmaus. Da sehen die Bestattungsfachleute mehrere Gründe für diese Entwicklung: zum einen die Kosten einer solchen Feier, bei der man nicht weiß, wie viele Gäste letztendlich kommen. Zum anderen auch die fehlende Bewirtungsmöglichkeit am Ort oder Menschen, die sich - wie früher die Nachbarschaft - um die Bedienung kümmerten.
Intern werde es aber diese Beerdigungskaffees weiterhin geben, wenigstens im engsten Familienkreis. »Es ist ja auch unclever, zu einer Beerdigung einzuladen und dann in aller Stille auseinanderzugehen«, meint Kracheletz.