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In der Opferrolle

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Die Korruptionsvorwürfe bestreitet der Frankfurter OB Peter Feldmann. © DPA Deutsche Presseagentur

Man muss in diesen Tagen nicht alles verstehen, was Peter Feldmann macht. Zumal einige Ankündigungen des SPD-Politikers auch widersprüchlich sind. Die Ansage, Termine nur noch zurückhaltend wahrzunehmen, klang danach, als wolle er eine Reaktion zeigen auf die Anklage gegen ihn. Gleichzeitig betonte er, er werde sich nicht verstecken. Feldmann will unbedingt im Amt bleiben.

Am Dienstagmittag tauchte der Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann einigermaßen überraschend am Ratsweg auf. Thomas Feda, der Tourismuschef der Stadt Frankfurt, hatte zum Presserundgang über die am Freitag beginnende Dippemess geladen und der Oberbürgermeister nahm teil. Das tut er nicht oft. Und hatte Feldmann nicht gesagt, er wolle öffentliche Termine jetzt nur noch »mit Augenmaß« wahrnehmen? Schon, erklärte er den verblüfften Journalistinnen und Journalisten. Aber die Zukunft der Volksfeste sei ihm eben besonders wichtig. Das klang trotzig, fast wie eine Kampfansage, und passt zu seinem Auftritt bei der Dippemess.

Warum sollte ein Oberbürgermeister, der wegen Korruption angeklagt ist, zurücktreten? Peter Feldmann fiele auf diese Frage keine Antwort ein. Denn der 63-Jährige ist komplett von seiner Unschuld überzeugt und sieht sich in erster Linie als Opfer, das von allen möglichen Leuten grundlos angefeindet wird. Von der CDU, die ihn als großen Gegenspieler sieht, seit er 2012 überraschend den Kandidaten der CDU, Boris Rhein, besiegte und Oberbürgermeister wurde. Von der FDP, namentlich von Fraktionschef Yanki Pürsün, der in der AWO-Affäre einfach nie Ruhe geben wollte und sich jetzt bestätigt sieht. Und auch von der Staatsanwaltschaft, deren Vorwürfe er als »haltlos und maßlos« bezeichnet. Dass sich solche Äußerungen für einen Oberbürgermeister nicht gehören, weil sie ein Organ der Justiz direkt angreifen, dürfte ihm auch nicht einleuchten.

Peter Feldmann sagt, er werde seine Unschuld beweisen. Das muss er nicht. In einem Rechtsstaat muss die Anklage dem Angeklagten nachweisen, dass er schuldig ist. Ob es dazu kommt, ist völlig offen. Und allein deshalb gibt es in Feldmanns Augen keinen Grund zurückzutreten. Es gab keinen, als die Vorwürfe bekannt wurden. Es gab keinen, als die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen ihn einleitete. Es gab keinen, als die Staatsanwaltschaft Anklage erhob. Er sah sich ja als unschuldig an. Und es würde noch nicht einmal einen Grund zum Rücktritt geben, wenn das Gericht Peter Feldmann entgegen seiner Erwartung wegen Vorteilsannahme verurteilen sollte. Schließlich wäre das Urteil dann noch nicht rechtskräftig. Feldmann könnte in die nächste Instanz gehen. Vermutlich würde er das tun, seine Unschuld beteuern und einen Rücktritt ablehnen.

Kaum Handhabe gegen den OB

Bis zu einem rechtskräftigen Urteil gegen Feldmann kann es dauern. Vermutlich würde es lange nach der OB-Wahl 2024 fallen. Feldmann wird dann nicht mehr antreten. Zwar sagte er zuletzt (allerdings vor der Anklage), er entscheide selbst, ob er kandidiere. Aber das ist wohl Wunschdenken. Die SPD wird ihn nicht mehr aufstellen, und als parteiloser Kandidat hätte er keine Chance. Ob Feldmann das versteht oder wie so vieles derzeit verdrängt? Was er mit Sicherheit versteht: Nur er entscheidet darüber, ob er bis Sommer 2024 im Amt bleibt. Die Rücktrittsforderungen von CDU und FDP brauchen ihn nicht zu interessieren, die Termine bei Gericht kann er wahrnehmen und gleichzeitig Oberbürgermeister bleiben. Und selbst wenn die eigene Partei ihn fallen ließe, müsste sich Feldmann nicht zurückziehen. In Tübingen regiert Boris Palmer seit Langem ohne Unterstützung der Grünen - wobei der Vergleich unfair ist. Feldmanns Politik hat nichts zu tun mit dem populistischen Getue von Palmer.

Zum Rücktritt zwingen können Feldmann nur die Wählerinnen und Wähler. Die Logik hinter dieser Regel: Wer direkt gewählt wurde, muss auch direkt wieder abgewählt werden. Doch die formalen Hürden sind hoch. Ein Abwahlantrag muss erst von der Hälfte der Stadtverordneten unterstützt werden, bevor er überhaupt gestellt werden kann. Dann braucht er eine Zweidrittelmehrheit im Stadtparlament. Und schließlich müssen beim Bürgerentscheid die Frankfurterinnen und Frankfurter den Oberbürgermeister abwählen, wobei mindestens 30 Prozent der Wahlberechtigten die Abwahl unterstützen müssen.

Aller Voraussicht nach dürfte die Abwahl an diesem Quorum scheitern. Dass die Anklage gegen Peter Feldmann, bei der es um sehr geringe Summen geht, die Menschen in Frankfurt in Scharen an die Wahlurne treibt, darf bezweifelt werden. Und dann, so prophezeite es kürzlich FDP-Mann Yanki Pürsün, ginge Feldmann sogar noch gestärkt aus dem Verfahren hervor.

Bleibt die Frage, wie viel Schaden eine Stadt nimmt, die von einem OB auf der Anklagebank regiert wird. Doch das kann man mit Feldmann nicht besprechen. Er sagt nur, dass er unschuldig sei. Und dass sich die Stadt auf ihn verlassen könne: »Meine Arbeit geht kraftvoll weiter.«

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