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Humedica-Ärzte helfen seit zehn Jahren weltweit

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Solms/Wetzlar (ür). Vor zehn Jahren, im Februar 1999, wurde in Wetzlar auf Initiative des Solmser Allgemeinmediziners Georg Müller (Albshausen) das christliche Humedica-Ärzteteam ins Leben gerufen. Die Idee dazu kam dem Hausarzt bei einem Besuch im September 1998 in Indien.

Damals hat Müller gemeinsam mit 24 weiteren Ärzten und Pflegekräften in Elendsvierteln der Millionenstadt Hyderabad im Bundesstaat Andra Pradesh rund 12 000 Menschen untersucht und behandelt. Der damalige deutsche Außenminister Klaus Kinkel (FDP) hatte den Einsatz gelobt, bei dem die gesammelten Patientendaten anschließend wissenschaftlich ausgewertet wurden. Wenige Monate später, Ende Januar 1999, erschütterte ein schweres Erdbeben die Region im kolumbianischen Armenia. Sofort stellte Müller ein dreiköpfiges Team zusammen, das innerhalb weniger Stunden Notfallhilfe für die Überlebenden der Naturkatastrophe leisteten. Unter ihnen auch Nils Neidhart aus Waldgirmes, der damals als Rettungssanitäter und Student spontan zu dem Hilfseinsatz bereit war. Zunächst nannte Müller die Gruppe »Christliches Ärzteteam für internationale Katastrophenhilfe«, das von mehreren Hilfsorganisationen, darunter auch das christlich-humanitäre Werk »Humedica« (Kaufbeuren bei Augsburg), getragen wurde. Heute ist Humedica, das seit über 30 Jahren rund um den Globus Hilfe leistet, der organisatorische Träger des Teams. Aber die Kaufbeurer leisten noch mehr: Humedica sorgt für die Ausrüstung und stellt gespendete Medikamente der Pharmaindustrie für die Einsätze zur Verfügung.

Das Ärzteteam, lobt Humedica-Leiter Wolfgang Groß, führt ein möglichst breites Spektrum von Ärzten für die unterschiedlichsten Notsituationen zusammen, ebenso wie Pflegekräfte und Koordinatoren.

Am Gründungstreffen in Wetzlar nahmen damals 50 Personen teil. Heute sind laut Groß rund 960 Ärzte, Pflegekräfte und Koordinatoren in der Datenbank des Ärzteteams gelistet. Sie sind bereit bei Naturkatastrophen wie Erdbeben, Tsunamis, Vulkanausbrüchen oder bei Kriegen und anderen Notsituationen einen Teil ihres Urlaubs für einen unentgeltlichen Einsatz zu opfern. Das Ärzteteam helfe aus christlicher Motivation, so Georg Müller, im die physischen Leiden der Menschen zu lindern aber auch um die Liebe Gottes deutlich zu machen. Als biblisches Vorbild sieht Müller den barmherzigen Samariter, dessen Geschichte Jesus in einem Gleichnis im Neuen Testament im Lukasevangelium, erzählte. Als er einen Verletzten auf der Straße liegen sah, half er ihm auf, versorgte seine Wunden, brachte ihn in ein Herberge und sorgte dafür, dass er bis zur Genesung gepflegt wurde.

Wenn das Humedica-Ärzteteam in irgendein Land der Erde aufbricht, suchen Koordinatoren bereits Kontakt zu Gemeinden und Hilfswerken vor Ort. So können die wenigen Helfer aus Deutschland dank der bereits bestehenden Infrastruktur im Zielland schnell zum Einsatz kommen. Autos, Lastwagen, Hubschrauber und Flugzeuge können so genutzt werden, um die Katastrophenregion rasch zu erreichen oder Hilfsgüter zu transportieren. Meist arbeiten die Humedica-Helfer dort mit einheimischen Ärzten und Pflegekräften Hand in Hand. Dies hat den Vorteil, dass nach Abreise der Katastrophenhelfer die Patienten auch weiterhin versorgt werden können. Mehrfach haben die Einsätze auch zu langfristigem Engagement des Hilfswerks geführt. Im Frühjahr 1999 waren Teammitglieder im Kosovo als dort der Bürgerkrieg tobte. Hunderttausende flohen in die Nachbarstaaten, in Dörfern wie Krushe e Vogel war nahezu die Hälfte der Häuser zerstört, viele Frauen waren zu Witwen geworden, Kinder hatten ein oder beide Elternteile verloren. Humedica richtete einen Kindergarten ein und half mit Spenden aus Deutschland beim Neubau einer Schule.

In der Region Darfur im Sudan kümmert sich das Werk seit Jahren um Flüchtlinge.

Ein zweites Standbein der Humedica-Ärzteteams sind Einsätze in armen Dritte Welt Ländern. Dabei arbeitet das Team mit der Gefangenenhilfs-Organisation Prison Fellowship des einstigen US-Präsidentenberates Chuck Colson zusammen. Gemeinsam gehen die Mitarbeiter in Gefängnisse in Afrika und Südamerika, um die Inhaftierten medizinisch zu betreuten. Einsätze führten bislang auf fast alle Kontinente.

Als der Tsunami im Dezember 2004 tausende Menschen in einer riesigen Flutwelle mitriss, kamen auch Humedica-Ärzte zur Hilfe. In Deutschland organisierten Müller und seine Mitstreiter eine Hilfsaktion, in dem sie die Menschen in Sri Lanka mit 1000 Booten und Fischernetzen ausstatteten. Somit konnten die Überlebenden schnell wieder selbst für ihren Unterhalt sorgen. Dazu übergab das Werk die Menschen 5000 Fahrräder. Insgesamt wurden Spenden in Höhe von 5,5 Millionen Euro investiert. Über die Jahre hat das Ärzteteam seine Ausrüstung verbessert und seine Mitarbeiter durch Schulungen für den Katastropheneinsatz fit gemacht. Ein Notfall-Kit steht jederzeit bereit, mit dem bis zu 30 000 Menschen versorgt werden können.

Im Herbst 2009 waren die Helfer an der Seite der Wirbelsturmopfer auf den Philippinen und bei den Menschen im Erdbebengebiet auf der Insel Sumatra in Indonesien. Um die Einsätze im Ausland auf breitere Füße zu stellen, hat das Werk im Herbst ein Humedica-Forum Baden-Württemberg und eines in Hessen gegründet. In diesen Forum sammeln sich namhafte und engagierte Repräsentanten aus Politik, Gesundheitswesen, Kirche und Gesellschaft. Im Dezember hat der niedersächsische Landtag als erstes deutsches Landesparlament in Krisengebieten tätige Aufbauhelfer geehrt, darunter auch Humedica-Teammitglieder. »Die Männer und Frauen leisten einen unschätzbaren humanitären Dienst« unterstrich Minister Uwe Schünemann (CDU).

Eine, die bereits drei Einsätze mit dem Ärzteteam bestritten hat, ist die Krankenschwester Esther Waßmuth (Schöffengrund). Sie kann die Schicksale vor allem von Kindern nicht vergessen. Bei ihrem letzten Einsatz auf den Philippinen begegnete ihr ein Junge, dessen Gesicht wie von einer Allgergie stark angegriffen war. Die Großmutter erklärte, der Kleine habe seine Mutter und einen Bruder durch einen Wirbelsturm verloren. Tagelang habe er nur geweint.

Esther Waßmuth nahm den Jungen auf den Schoß, überreichte ihm ein Kuscheltier und spielte mit ihm. Solche Erlebnisse lassen bei ihr wie bei anderen die Bereitschaft entstehen, auch bei weiteren Einsätzen irgendwo auf der Welt Menschen in christlicher Nächstenliebe zu helfen.

Statt das zehnjährige Jubiläum mit einer Gala zu feiern, hat das Humedica-Team seine Feier kurzentschlossen zu einer Benefizveranstaltung zu Gunsten der Erdbebenopfer in Haiti umgemünzt: Prof. Dr. Bernd D. Domres berichtet an diesem Samstag (30. Januar) um 19 Uhr in der Kreuzkirche in Wetzlar über seinen jüngsten Einsatz in der Karibik.

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