Hessisch ist nicht nur babbeln

Der Hesse ist kompliziert - zumindest was seinen Dialekt angeht. Noch gibt es viele regionale Unterschiede, doch das könnte sich ändern. Gibt es bald den hessischen Einheitsbrei in der Sprache?
Ei Gude, wie?«, das ist wohl einer der Sätze, die jeder Hessenneuling als Erstes lernt. Aber woher kommt der Spruch? Da gibt es vier Möglichkeiten: Nord-, Zentral-, Osthessen oder die rheinfränkische Sprachregion. Vier sogenannte Dialektverbände gibt es in Hessen. Dialekte, die sich ähneln und gleichzeitig maximal von umliegenden Mundarten unterscheiden, werden zu einem Sprachverband zusammengefasst, erklärt Lars Vorberger vom Deutschen Sprachatlas der Universität Marburg.
»Es gibt von Dorf zu Dorf immer wieder Unterschiede«, ergänzt der Dialektforscher Rudolf Post, »aber es gibt auch markante Grenzen, wo mehrere Lauteigenschaften zusammenstoßen.« Daran könne man deutlich einzelne Richtungen unterscheiden. »Er hat bestimmte Merkmale, die in diesem Raum immer wieder vorkommen und dann anderswo nicht mehr da sind.«
Die vier regionalen Unterschiede machen den hessischen Sprachraum zum komplexesten in Deutschland. Das werde sich allerdings ändern, sagt der Sprachforscher Vorberger. Doch bevor es um die Zukunft geht, wo wird denn in Hessen was »gebabbelt«?
Das Land teile sich in vier Teile: Nord-, Ost-, Zentral- und Südhessen (Rhein-Franken). Von der Schwalm hoch nach Kassel wird Nordhessisch »geschnuddelt«. Osthessisch spreche man in der Gegend von Fulda.
Zentralhessisch werde vom Marburger Hinterland bis in die Wetterau über den Taunus hinaus geschwätzt, erklärt der Sprachforscher Vorberger. Das Rheinfränkisch »babbelt« der Hesse südlich von Frankfurt bis nach Rheinland-Pfalz. »Diese Variante wird als das typisch Hessische gesehen«, erklärt er. »Wenn Sie Leuten nord- oder osthessische Aufnahmen vorspielen, dann würden die nie auf die Idee kommen, dass das Hessisch ist.«
Die Zukunft sieht aber weniger hessisch aus. Die Sprachwissenschaftler prognostizieren, dass im Süden und der Mitte Hessens bald nur noch das Frankfurter Gebabbel zu hören sei.
Post erklärt, »das Südhessische wird sich weiter ausbreiten und andere Mundarten weiter abflachen«. Über kurz oder lang werde der sogenannte Rhein-Main-Regiolekt weite Teile des hessischen Sprachraums einnehmen, ergänzt Vorberger.
Im Regiolekt fallen viele Merkmale weg
Im Regiolekt sind ganz viele spezifische Dialektmerkmale weggefallen und andere regionale Merkmale, die ein bisschen weiter verbreitet sind, die bleiben.« Aus dem nordhessischen Fiße, dem osthessischen Föß, dem Foiß aus Zentralhessen und Fiiß aus dem Rhein-Fränkischen für das Wort Füße, werde im Regiolekt Füß.
Der Dialektforscher erklärt, dass jede Region in Deutschland ihre eigenen sprachlichen Einfärbungen hat. Sprechen wie die Nachrichtensprecher gehe nicht ohne vorheriges Training. »Sie müssen sich das tatsächlich abtrainieren.« In der südlichen Hälfte Hessens ist das der Rhein-Main-Regiolekt, »der breitet sich aus«, so Vorberger. »Regionalität bleibt erhalten, der alte Dialekt wird immer weniger von den Jungen gesprochen.«
Das Nordhessisch, das ans Niederdeutsche angrenze, ist laut Post am Aussterben, Osthessisch ebenso. »Auf dem Schulhof hört man das schon gar nicht mehr«, sagt der Dialektforscher. »Die Dialekte verändern sich schon sehr.«
Es entwickele sich in der Zukunft kein klanglicher Einheitsbrei. Allerdings würden weniger hessische Sprachmerkmale im Regiolekt vorkommen, erklärt der Dialektforscher Vorberger. »Der Regiolekt fasst zusammen, aber es gibt natürlich regional noch feine Unterschiede.« Der Dialekt verliere Merkmale und rücke näher an die Standardaussprache, wie wir sie aus den Nachrichten kennen.
Auch Wörter könnten verloren gehen, sagt Vorberger. Maane für den Wäschekorb aus Zentralhessen sei zum Beispiel jetzt schon nicht mehr verbreitet. Kneipchen, das kleines Küchenmesser, das werde sich seiner Meinung nach halten.
Es gebe allerdings Merkmale im Hessisch, die sich erst entwickelt hätten, sagt Vorberger. Der Hesse spreche heute teilweise optimierter. Anstelle von blau werde zum Beispiel plau gesagt. Durch die kantige Aussprache des harten »P«, werde es für den Hörer klarer, wo das Wort anfängt und dadurch besser verständlich, erklärt der Dialektforscher.
Und was passiert mit dem Hessenklassiker »Ei Gude, wie«? Dabei handele es sich um das »hessische Klischee«, ein Satz, der aus dem Rheinfränkischen stamme. Gleichzeitig sei es auch, neben der Abkürzung »Ei Gude« ein Beispiel für das Medienhessisch und den Regiolekt, erläutert der Dialektforscher. Während das Zentralhessische »Ei Goure, wei« wohl eher unbekannt bleibe, werde uns »Ei Gude, wie« wohl auch in der Zukunft im Regiolekt und für die Frischlinge im »Ländsche« erhalten bleiben.