Hartz IV: Geflüchtete sollen ab Juni Leistungen erhalten – Papiermangel könnte Umsetzung verhindern
Hunderttausende Geflüchtete aus der Ukraine sollen ab Juni staatliche Grundsicherung erhalten. Bei der Umsetzung drohen aber massive Probleme wegen fehlender Formulare.
Berlin – 82 Euro mehr sollen Geflüchtete aus der Ukraine ab Juni zur Verfügung haben. Die Länderchefinnen und -chefs hatten gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beim Bund-Länder-Treffen im April festgelegt, dass Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine ab dem 1. Juni staatliche Grundsicherung erhalten und damit auf Basis von Hartz 4 finanziell unterstützt werden sollen. Die Grundsicherung beträgt 449 Euro im Monat – die Leistungen aus dem Asylbewerbergesetz, die Geflohenen derzeit zusteht, liegen bei 367 Euro.
Mit der Änderung sollen Geflüchtete aber nicht nur eine bessere finanzielle Unterstützung bekommen, sondern auch intensiver von den Jobcentern betreut und bei der Arbeitssuche unterstützt werden sowie besseren Zugang zu Sprachkursen und anderen Integrationsleistungen bekommen. Zwei Milliarden Euro stellt der Bund den Ländern und Kommunen dafür zur Verfügung – doch jetzt droht der sogenannte Rechtskreiswechsel der Ukraine-Geflüchteten an der Bürokratie in Deutschland zu scheitern.
Hartz 4 für Geflüchtete aus der Ukraine: Papier-Panne sorgt für Probleme in den Kommunen
Die Landkreise befürchten Probleme bei der Organisation des geplanten Hartz 4-Anspruchs für Geflüchtete aus der Ukraine und schlagen Alarm. Grund für mögliche Probleme sei der Mangel an Spezialpapier, sagte der Präsident des Landkreistags, Reinhard Sager (CDU), den Zeitungen der Funke Mediengruppe am Dienstag (17. Mai). „Die Bundesdruckerei kann derzeit nicht genügend fälschungssichere Dokumentenvorlagen ausliefern, auf denen die Ausländerbehörden ihre Fiktionsbescheinigungen ausstellen“, so Sager. Bund und Länder hatten sich im April darauf geeinigt, dass nur die Geflüchteten Hartz-4-Leistungen bekommen sollen, die als Nachweis über eine vorübergehende Aufenthaltserlaubnis bis zum Stichtag am 1. Juni ebendiese Fiktionsbescheinigung vorzeigen können.

Damit soll eine möglichst vollständige Registrierung der im Ukraine-Konflikt aus ihrer Heimat Vertriebenen ermöglicht werden. Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wurden bis Anfang Mai bereits rund 730.000 Menschen aus der Ukraine im deutschen Ausländerzentralregister (AZR) registriert.
Weil Dokumente fehlen: Länder fordern Anerkennung anderer Nachweise für Hartz-4-Anspruch
Sager erklärte, die Bundesdruckerei könne aktuell nicht genügend fälschungssichere Dokumentenvorlagen ausliefern. Das Gleiche berichtete der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages Helmut Dedy in einem Brief an Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Arbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD). Der Brief vom 13. Mai liegt der Redaktion von Business Insider vor.
Hinzu komme, dass es in der kurzen Zeit selbst bei ausreichenden Formularen schwer werden würde, allen Leistungsberechtigten die Bescheinigung rechtzeitig auszustellen. Die Landkreise fordern Reinhard Sager zufolge jetzt vom Bund, dass die Jobcenter vorübergehend andere Bescheinigungen der Ausländerämter anerkennen. Der Bund solle pragmatisch handeln, damit Betroffenen nicht monatelange Verzögerungen drohen.
Infolge des Beschlusses, dass ukrainische Geflüchtete ab Juni Grundsicherung bekommen sollen, brach eine Debatte über eine Zwei-Klassen-Gesellschaft der Geflüchteten aus. Die rheinland-pfälzische Integrationsministerin Katharina Binz (Grüne) erklärte, man werde die Diskussion weiter führen müssen, warum die Rahmenbedingungen für ukrainische Geflüchtete nicht auch für andere Gruppen von Schutzsuchenden übernommen werden könnten. (iwe)