Nach Amokfahrt in Kindergruppe: Urteil gegen Todesfahrer gefallen

Gutachten legen dar, dass der 31-jährige Todesfahrer aus Witzenhausen-Gertenbach vorsätzlich in die Gruppe von Kindern gerast ist, wodurch ein Mädchen zu Tode kam.
Kassel/Gertenbach – Die Strafkammer des Landgerichts Kassel sah den Mann als schuldunfähig an und fällte gestern das Urteil nach einer dreistündigen Beratungspause. Vor gut einem Jahr war der Beschuldigte in Gertenbach mit einem Pkw in eine Gruppe von Schulkindern gefahren und hatte dabei ein achtjähriges Mädchen getötet sowie zwei gleichaltrige Kinder schwer verletzt.
Auch am letzten Verhandlungstag war das Interesse der Medien und Öffentlichkeit an diesem unfassbaren Geschehen groß. Emotionen machten sich immer dann breit, wenn der Anwalt der Nebenkläger auf die seelische Verfassung der Eltern einging.
Vorwurf der Staatsanwaltschaft beim Gertenbach-Prozess: Todesfahrer handelte bewusst und heimtückisch
Staatsanwalt Eckhard Töppel kam in seinem Plädoyer auch noch einmal auf die Folgen der Tat zu sprechen. Noch immer litten die beiden Mädchen an Traumata und befänden sich in psychologischer Behandlung. Die Gutachten wiederum hätten die Einlassungen des Beschuldigten widerlegt, dass er bei der Unglücksfahrt ohne Bewusstsein gewesen sei. Auf 45 bis 50 Stundenkilometer habe er sein Auto beschleunigt, ehe er mit einer bewussten Lenkung in die Gruppe der Kinder gefahren sei.
Untersuchungen hätten zudem einen technischen Defekt am Fahrzeug ausgeschlossen. Damit liege der Tatbestand des Mordes, des versuchten Mordes und der gefährlichen Körperverletzung vor, so Töppel. Erschwerend hinzu komme, dass der Beschuldigte heimtückisch handelte, da die Opfer völlig unvorbereitet und ahnungslos gewesen seien.
Gertenbach-Prozess: Verteidigerin spricht von „tragischen Unfall“ – Gericht entscheidet anders
Bei der Strafzumessung ließ sich die Anklagebehörde von dem psychiatrischen Gutachten der Sachverständigen leiten. Zwar räumte auch der Staatsanwalt ein, dass es durchaus Indizien gebe, nach denen man eine bewusste Handlung annehmen könne. Dennoch liefere das Gutachten Fakten, die für eine paranoide Schizophrenie des Beschuldigten sprächen. Da der 31-Jährige laut Gutachten durch seine psychische Erkrankung weiterhin eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle, sei die Einweisung in eine psychiatrische Fachklinik anzuordnen.
Die Rechtsanwältin des Angeklagten folgte dieser Einschätzung nicht. Polizeibeamte hätten den Beschuldigten nach dem Unfall nicht als psychisch auffällig beschrieben, zudem habe es kurz vor der Tat keine Anzeichen einer derartigen Erkrankung gegeben. Von daher sei von einem tragischen Unfall aufgrund von Übermüdung auszugehen. Eine Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik sei völlig unangemessen.
Die Kammer sah das jedoch anders und ordnete die Einweisung in eine Fachklinik an. Dies unter anderem auch, da sich der Beschuldigte in der Vergangenheit mehrmals in fachärztlicher Behandlung wegen einer psychiatrischen Erkrankung befand. (Peter Kilian)