Festnahme im Mittelpunkt
Frankfurt - Der Angeklagte im »NSU 2.0«-Prozess hat nach Angaben der Polizei eine Waffe auf die Beamten gerichtet, als sie ihn am 3. Mai 2021 festnehmen wollten. »Der Finger war am Abzug«, sagte der Leiter operative Maßnahmen im Landeskriminalamt, der bei dem Einsatz in Berlin vor Ort war und am Donnerstag als Zeuge vor dem Landgericht Frankfurt aussagte.
Alexander M. ist angeklagt, weil er mehr als 100 rechtsextreme, rassistische und sexistische Schreiben mit Morddrohungen an Journalisten, Politiker und Rechtsanwälte verschickt haben soll, die mit dem Kürzel »NSU 2.0« unterzeichnet waren, angelehnt an die rechtsterroristische Gruppe »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU). Auch Widerstand gegen die Beamten zählt zu den Anklagepunkten.
Der Polizist schilderte, wie das mobile Einsatzkommando (MEK) die Wohnungstür von Alexander M. mit vier Rammstößen aufgebrochen hatte. M. sei ihnen in der engen Wohnung entgegengekommen und habe eine Waffe mit dem Lauf in Richtung der Polizei gerichtet, den Finger am Abzug. Nach mehrfacher Aufforderung, die Waffe wegzulegen, habe er reagiert. »Bestimmt fünf-, sechs-, siebenmal« sei M. dazu aufgefordert worden.
Der Angeklagte M. bestritt, dass er Widerstand geleistet habe. »Ich dachte, ich werde jetzt überfallen«, schilderte er. Als er gemerkt habe, dass es sich um die Polizei handele, habe er die Waffe sofort niedergelegt.
Der LKA-Beamte machte klar, dass in dieser Situation aus seiner Sicht die Gefahr bestand, dass ein Polizist auf M. hätte schießen können. Das MEK sei darauf eingestellt gewesen, dass es zu einer Konfrontation kommen könnte.
Unter besonderer Beobachtung
Der Beamte schilderte, dass man in der Vorbereitung darüber gesprochen habe, dass M. auf keinen Fall durch einen Polizeischuss »mit letalem Ausgang« getötet werden dürfe. »Dann wird uns die Presse zerreißen«, weil die Polizei »den einzigen Zeugen« beseitigt hätte, so die Befürchtung.
Die Polizei steht in dem Fall unter besonderer Beobachtung, da der Verdacht besteht, dass auf mehreren Revieren persönliche Daten von Personen abgefragt wurden.
M.s Verteidiger Marcus Steffel mutmaßte, die Polizei könne eine Widerstandshandlung bewusst in Kauf genommen haben. Er und sein Kollege Ulrich Baumann fragten mehrfach nach, warum die Polizei den Beschuldigten nicht vor dem Supermarkt festgenommen hatte, wo er vermutlich arglos und unbewaffnet gewesen wäre. Der Einsatzleiter erläuterte dazu, der Sonderermittler der hessischen Polizei, Hanspeter Mener, habe um die Festnahme in der Wohnung gebeten. Denn »Hauptziel« sei es gewesen, den Angeklagten am laufenden Computer vorzufinden, von dem er die Drohschreiben versandt haben soll. Pitt v. Bebenburg