Fall Ayleen: Anzeige ohne Folgen

Der im Zusammenhang mit dem Tod der 14-jährigen Ayleen festgenommene 29-Jährige soll bereits im Frühjahr eine Wetterauer Schülerin belästigt haben. Die Staatsanwaltschaft Gießen bestätigte, dass eine Strafanzeige gegen den Beschuldigten wegen des Verdachts der versuchten Nötigung vorgelegen habe. Doch der mutmaßliche Mörder von Ayleen blieb danach weitgehend unbehelligt.
Eigentlich ist das Rosbacher Blütenfest eine Veranstaltung der Lebensfreude. Vom 22. bis zum 24. April wurde in diesem Rahmen erstmals nach zwei Jahren wieder ein Programm geboten mit Live-Musik, Buden und verschiedenen Fahrgeschäften. Eins davon war der »New Yorker«, bei dem nach einem Bericht der FAZ der mutmaßliche Mörder der 14-jährigen Ayleen aus dem südbadischen Gottenheim als Hilfsarbeiter tätig gewesen sei. Dort soll er eine 17-jährige Schülerin angesprochen haben, die er in der Folge über einen Messenger-Dienst zu einer Beziehung genötigt habe. Zudem soll er sie in den folgenden Tagen mehrfach auf einem Schulhof in Bad Nauheim aufgesucht und belästigt haben.
Vorwurf der
Nötigung am 2. Mai
Die seit 21. Juli vermisste Ayleen aus dem Freiburger Raum war am vergangenen Freitag tot im Teufelsee bei Reichelsheim-Weckesheim (Wetteraukreis) treibend gefunden worden. In diesem Zusammenhang wurde der 29-Jährige aus Waldsolms (Lahn-Dill-Kreis) unter dringendem Tatverdacht in Untersuchungshaft genommen. Nun wird vermutet, dass es auch in der hiesigen Region weitere Opfer gibt, die von ihm bedroht und bedrängt wurden.
Im Fall der 17-Jährigen konnte die Polizei in Friedberg gestern bestätigen, dass am 2. Mai 2022 eine Anzeige wegen Nötigung bei ihr eingegangen sei. Tatzeit sei der 28. April gewesen, erklärte Pressesprecher Tobias Kremp. »Danach sind alle polizeilichen Maßnahmen eingeleitet worden.« So gab es eine Gefährderansprache, also eine Aufforderung zur Abwehr einer möglichen Gefahr. Dabei handele es sich um eine gezielte Kontaktaufnahme, um dem Beschuldigten zu signalisieren, dass gegen ihn eine Anzeige vorliege. In dieser Form soll auch der Tatverdächtige angesprochen worden sein. Den Vorladungen zu einer Vernehmung sei der mutmaßliche Mörder jedoch nicht nachgekommen. Am 2. August hat die Friedberger Polizei den Fall deshalb an die Staatsanwaltschaft Gießen weitergeleitet.
Zehn Jahre
in der Psychiatrie
Der Lebenslauf des 29-Jährigen war den Kriminalbeamten in Friedberg bekannt. Wie Andreas Röhrig, Präsident des Landeskriminalamts Hessen, nach dem Mordfall berichtet hatte, habe der Mann 2007 im Alter von 14 Jahren versucht, eine Elfjährige zu vergewaltigen. Anschließend sei er für zehn Jahre in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht und 2017 daraus entlassen worden. Danach habe er fünf Jahre unter Führungsaufsicht in einem Programm für rückfallgefährdete Sexualstraftäter gestanden. Dieses lief Ende Januar 2022 aus. Zum Tatzeitpunkt stand der Beschuldigte also nicht mehr unter Führungsaufsicht. Nach einem Bericht von »Focus Online« wollten die Behörden die Führungsaufsicht über den 29-Jährigen Anfang 2022 verlängern. Doch dieser klagte erfolgreich dagegen.
Unterschwellig wird nun in verschiedenen Medien der Vorwurf laut, dass die Anzeige der Nötigung in Friedberg zu langsam bearbeitet worden sei. »War die Polizei zu lasch?«, titelt gar die »Bild«.
Oberstaatsanwalt Thomas Hauburger aus Gießen ließ im Gespräch mit dieser Zeitung am Donnerstag nur verlauten, dass erst seit Dienstagnachmittag diese Strafanzeige gegen den Beschuldigten wegen des Verdachts der versuchten Nötigung vorliege. Zudem laufe noch ein weiteres Ermittlungsverfahren wegen drei Ladendiebstählen. Unter anderem handele es sich beim Diebesgut um Kaffee. Weitere Auskünfte könne man derzeit auch mit Blick auf die Ermittlungen im Fall Ayleen nicht geben, sagte Hauburger.
Der mutmaßliche Mörder hatte die 14-jährige Ayleen im Internet kontaktiert. Laut der Staatsanwaltschaft in Freiburg kannte er sie aus wochenlangen Chats in den sozialen Netzwerken und dem Online-Spiel »Fortnite«, das auch über eine Chat-Funktion verfügt. Die Behörden werten gerade große Mengen an Datenmaterial bezüglich der Kommunikation aus. Ende vergangener Woche hatte die Polizei die Leiche im Teufelsee gefunden. Bei der anschließenden Wohnungsdurchsuchung des Verdächtigen wurden Gegenstände aus dem Besitz von Ayleen gefunden. Alle Vorwürfe hat er bis dato bestritten.
Auch Schlagerstar belästigt
Auch Schlagersängerin Annemarie Eilfeld ist dem mutmaßlichen Mörder schon mal begegnet, meldete am Donnerstag die »Bild«. Vor einem Auftritt am Potsdamer Platz lauerte der Tatverdächtige ihr auf und fragte nach einem Handyselfie. »Er war vorbereitet, hatte verschiedene Fotos von mir dabei, die ich unterschreiben sollte. Er war ein unscheinbarer Typ, aber seine ganze Art war gruselig. Ich weiß noch genau, dass ich mich in seiner Nähe unwohl fühlte. Er rückte mir regelrecht auf die Pelle. Das war mir unheimlich.«