Enkel rettet Opa das Leben
Frankfurt. In Deutschland sterben jährlich 65 000 Menschen den plötzlichen Herztod. Hasan Birdal lebt noch. Denn sein Enkel Erkin wusste nach einem Reanimationskurs in der Schule genau, was er tun muss. Dass ihn jetzt alle als Held feiern, findet der 14-Jährige eigentlich überflüssig: »Das war doch eine Selbstverständlichkeit.«
Frankfurt. In Deutschland sterben jährlich 65 000 Menschen den plötzlichen Herztod. Hasan Birdal lebt noch. Denn sein Enkel Erkin wusste nach einem Reanimationskurs in der Schule genau, was er tun muss. Dass ihn jetzt alle als Held feiern, findet der 14-Jährige eigentlich überflüssig: »Das war doch eine Selbstverständlichkeit.«
Im Nachhinein glaubt Mutter Nesil Özsoy, dass es Schicksal war. »Es hat einfach alles gepasst«, sagt die 37-Jährige. Denn eigentlich wohnt ihr Sohn Erkin gar nicht bei ihrem Vater Hasan Birdal in Nied, sondern mit ihr in Bockenheim. Doch am vergangenen Samstag war alles ein bisschen anders: Die ganze Familie hatte sich in Nied getroffen, um den Geburtstag von Hündin Sheela zu feiern. »Wir machen das jedes Jahr, damit wir uns alle mal wieder sehen«, sagt Dogus Birdal, der Onkel des 14-Jährigen.
Danach nimmt er seinen Neffen Erkin zum ersten Mal mit ins Fitnessstudio. »Ich war total kaputt, als wir zurückgekommen sind«, sagt Erkin. Er legt sich bei Opa Hasan aufs Sofa und bleibt auch dort, als seine Mutter nach Hause fährt. Eigentlich hätte der Onkel selbst bei seinem Vater bleiben sollen, zur Sicherheit, weil der 58-Jährige Diabetiker ist. Aber weil sein Neffe ja noch auf dem Sofa liegt, geht er aus.
Während sich Opa Hasan früh schlafen legt, spielt Erkin noch auf dem Handy. Kurz nach 1 Uhr hört er, wie sein Opa unruhig wird. »Erst dachte ich mir nichts, aber dann hat er angefangen, Geräusche zu machen und zu fluchen. »Alles in Ordnung?«, fragt er den Opa. »Nein«, antwortet der, er bekomme keine Luft. »Mein Opa ist einer, der immer sagt, dass es ihm gut geht. Ich wusste also, dass es schlimm ist«, sagt Erkin.
In seinem Kopf beginnt sich ein Programm abzuspulen. Denn was in Notfällen zu tun ist, hat der 14-Jährige im Januar in der Schule gelernt. Es ist ein Pilotprojekt des Heinrich-von-Gagern-Gymnasiums, bei dem das DRK zusammen mit dem Schulsanitätsdienst allen Achtklässlern beibringt, wie man nach einem Herzstillstand richtig reanimiert. »Erst wollte ich nicht hin, aber als ich da war, hat es total Spaß gemacht«, sagt Erkin. An einer Puppe hat er damals stabile Seitenlage, Herzdruckmassage und Mund-zu-Mund-Beatmung geübt. Denn nach fünf Minuten ohne Reanimation sinkt die Überlebensrate auf 50 Prozent. »Ich fand das so interessant, dass ich es mir gemerkt habe.«
Sieben Monate später beginnt Erkin bei seinem Opa mit der Herzmassage, ruft nebenher einen Rettungswagen und seine Mutter an. Er versucht es mit stabiler Seitenlage, »aber wegen der Schmerzen hat er sich immer wieder bewegt«. Irgendwann fällt der Kopf des 58-Jährigen in den Nacken, er verdreht die Augen. »Ich habe am Hals geguckt, ob er noch einen stabilen Puls hat. Hatte er nicht, also wusste ich, dass es einen Herzinfarkt ist.«
Erkin handelt sofort. »Ich habe nichts gedacht, sondern nur noch gemacht, was ich gelernt hatte.« Er setzt seine Handballen auf die Mitte des Brustkorbs und beginnt mit ausgestreckten Armen mit der Herzdruckmassage. 30 Sekunden, dann zweimal Mund-zu-Mund-Beatmung. »Es war schwer, den Mund aufzubekommen, ich musste immer erst den Kopf nach hinten drücken«, sagt er.
Weiter und weiter macht der 14-Jährige, sogar noch, als er draußen den Krankenwagen hört. »Ich wollte warten, bis sie genau vor der Türe stehen«, sagt er. Vier Minuten hat er reanimiert, als schließlich die Notfallsanitäter übernehmen.
Zusammen mit seiner Mutter fährt Erkin ins Krankenhaus, wo die Ärzte Hasan Birdal drei Stents setzen. »Der Arzt hat extra gefragt, wer meinen Vater reanimiert hat«, sagt Mutter Nesil. »Er sagt, das habe nicht nur Hirnschäden vermieden, sondern ihm auch das Leben gerettet.« Sarah Bernhard